Nachhaltigkeit, die verkauft: Was Konsument:innen wirklich überzeugt

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Ist Nachhaltigkeit tot? Ein ehrlicher Blick auf Claims, Kaufbereitschaft und was wirklich funktioniert

Auf der Ideenfutter Expo am 24.9.2025 trafen sich rund 15 Expert:innen aus der Food-Branche zu einem Roundtable um herauszufinden, wie Nachhaltigkeit so kommuniziert werden kann, dass sie tatsächlich verkauft. Moderiert von Manuel Leckel von Euromonitor International, lieferte die Diskussion unbequeme Wahrheiten – aber auch wertvolle Strategien für alle, die nachhaltige Food-Produkte auf den Markt bringen wollen.


Warum diese Diskussion wichtig ist

Während Nachhaltigkeit als Thema allgegenwärtig ist, zeigen die Zahlen ein differenzierteres Bild: Das Vertrauen in nachhaltige Claims sinkt dramatisch, und die Zahlungsbereitschaft variiert stark je nach Produktattribut und Zielgruppe.

Die harten Fakten: Vertrauen schwindet massiv

Die von Euromonitor präsentierten Daten sind eindeutig: Seit der Pandemie vertrauen Konsument:innen weltweit nachhaltigen Claims deutlich weniger. Das Beispiel "bio" verdeutlicht eindringlich, dass der Wert des Labels abgenommen hat.

  • -11,3 %p vertrauen darauf, dass „bio“ bedeutet, das Produkt sei "chemikalienfrei"
  • -10,8 % "ohne künstliche Zusatzstoffe"
  • -9,8 % "ohne Gentechnik"
  • -7,2 % "nach strengen Vorschriften produziert"
  • -5 % bei "respektiert Tierwohl"

Noch drastischer: In Europa verlassen sich immer weniger Menschen auf Produktlabels – ein Rückgang von -9,85% zwischen 2021 und 2025. Von 32% auf nur noch 22% der Konsument:innen, die sich typischerweise auf Labels verlassen.

Deutschland 2025: Paradoxe Signale

Interessant ist die Entwicklung in Deutschland: Trotz sinkendem Gesamtinteresse an nachhaltigen Produkten haben Misstrauen und Preissensitivität leicht abgenommen. Das bedeutet: Wer es schafft, das Interesse zu wecken, findet möglicherweise kaufbereite Konsument:innen.

Was Konsument:innen wirklich wollen – und wofür sie zahlen

Die Euromonitor-Daten zeigen eine klare Diskrepanz zwischen gewünschten Produkteigenschaften und Zahlungsbereitschaft:

Top gewünschte Eigenschaften (Deutschland 2025):

  1. Niedriger Preis (51%)
  2. Überlegener Geschmack (27%)
  3. Gesundheits- und Nährwerteigenschaften (27%)
  4. Freilandhaltung (26%)

Höchste Zahlungsbereitschaft für:

  1. Freilandhaltung (15,3%)
  2. Gesundheits- und Nährwerteigenschaften (15,1%)
  3. Bio (14,4%)
  4. Überlegener Geschmack (13,5%)

Bemerkenswert: "All natural" liegt bei gewünschten Eigenschaften bei 24%, aber nur 12% würden dafür mehr zahlen.

Clean Label bleibt relevant

Trotz Vertrauensverlust bleiben bestimmte Claims wichtig. Die Top 3 der gewünschten Inhaltsstoff-Eigenschaften 2024:

  1. Reduzierter oder kein Zucker (ca. 32%)
  2. Frei von Konservierungsstoffen (ca. 30%)
  3. Rein natürlich (ca. 28%)

Zielgruppen: Verschiedene Motivationen verstehen

Die Kaufgründe für nachhaltige Lebensmittel variieren stark nach Alter:

  • 15-29 Jahre: Tierwohl (48,8%)
  • 30-44 Jahre: Lebensmittelsicherheit (49,3%)
  • 45-59 Jahre: Besser für Gesundheit (54,4%)
  • 60+ Jahre: Besser für mich persönlich (65,3%)

Salzfrei schlägt Zuckerfrei – bei Snacks

Spannende Marktdaten aus Deutschland (2022-2024):

  • "Salzfrei"-Snacks: +18,8% Wachstum (2,9 Tsd. Tonnen)
  • "Zuckerfrei"-Snacks: -7,7% Rückgang (39,6 Tsd. Tonnen)
  • "Wenig Zucker"-Snacks: +13,2% Wachstum (9,8 Tsd. Tonnen)

High-Protein-Snacks wachsen moderat (+1,6%), haben aber bereits ein großes Marktvolumen von 23,8 Tsd. Tonnen. Vegane Snacks hingegen verloren -13,1%.

Das Daten-Deck von Manuel kannst du hier runterladen.


Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Diskussion

1. Nachhaltigkeit unter Druck – aber nicht tot

Nachhaltigkeit hat an Bedeutung verloren, aber Projekte laufen weiter – sowohl in Unternehmen als auch in Start-up-Pipelines. Spannende Erkenntnis: der Fokus liegt oft auf Verpackungslösungen statt auf Sourcing und Rezepturen. 

2. Circular Economy: Der Business Case

Kreislaufwirtschaft ist das spannendste Nachhaltigkeitsthema, weil es bei Kosteneinsparungen hilft. Nur so bietet es echten Mehrwert für Unternehmen und ist für die Führungsetage vertretbar.

3. Plant-based in der Gastro: Margen statt Moral

In der Gastronomie helfen pflanzliche Produkte, Wertschöpfung zu generieren – sie sind günstiger als Fleischprodukte und liefern höhere Margen. Wichtig: Konsument:innen sind kein Fan von "veganen" Gerichten auf der Karte. Das gleiche Gericht verkauft sich besser, wenn kein Vegan-Claim dabeisteht.

4. Storytelling ist der Schlüssel

In der Flut von Claims muss man herausstechen. Viele nachhaltige Themen wurden durch die Industrie verwaschen – eine Normalisierung hat stattgefunden.

5. Von Moral zu Nutzen

Die wichtigste Erkenntnis: Die Positionierung nachhaltiger Produkte muss weg von moralischen und negativen Stories, hin zu positiven Stories, die den Mehrwert für Konsument:innen kommunizieren. Es ist besser, Bio mit gesundheitlichen Vorteilen zu kommunizieren als mit Tierwohl und der Rettung des Planeten.


Fazit: Ehrlichkeit statt Greenwashing

Die Roundtable-Diskussion auf der Ideenfutter Expo machte deutlich: Nachhaltigkeit verkauft sich nicht von selbst. Der Schlüssel liegt in ehrlicher Kommunikation, die den persönlichen Mehrwert in den Vordergrund stellt, in realistischer Zielgruppenanalyse und in Geschäftsmodellen, die auch wirtschaftlich Sinn ergeben – wie Circular Economy. Wer nachhaltige Food-Produkte erfolgreich positionieren will, sollte aufhören, an das schlechte Gewissen zu appellieren, und anfangen, echten Nutzen zu kommunizieren.

Geschrieben von

M. Lee Greene

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