Wie Unternehmen klimaneutral werden

Unsere Hausaufgaben sind klar: Deutsche Unternehmen müssen bis 2045 klimaneutral werden. Bis dahin muss ein Gleichgewicht zwischen den Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau hergestellt werden. Die Ernährungswirtschaft trägt laut der FAO, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, mit 31 Prozent einen hohen Anteil zu den ausgestoßenen Treibhausgasemissionen bei. Doch woher sollen Unternehmen wissen, wie sie klimaneutral werden können? Um das zu klären, haben wir vom Foodhub NRW am 16.02.22 unseren monatlichen Ideenfutter Stammtisch zum Thema Klimaneutralität abgehalten. 
 
Umweltbelastungen sichtbar machen - Scope 3-Emissionen müssen berücksichtigt werden 
Damit ein Unternehmen seine Emissionen reduzieren oder zumindest kompensieren kann, muss zunächst klar sein, dass es drei Arten von Emissionen, gibt, sogenannte Scopes. Scopes bezeichnen drei Geltungsbereiche, in denen Unternehmen Treibhausgase emittieren. Scope 1 sind direkte Emissionen. Es handelt sich um ausgestoßene Emissionen aus eigenen Quellen, die direkt im Besitz des Unternehmens sind, beispielsweise der betriebseigene Heizkessel. Scope 2 sind indirekte Emissionen aus der Nutzung von Energien, die eingekauft werden, beispielsweise Strom und Wärme. 
Scope 3 sind alle sämtlich übrigen Emissionen, die außerhalb der Organisationsgrenzen auftreten und sich nicht unter der Kontrolle des Unternehmens befinden. Dazu gehören Emissionen, die durch Zulieferer:innen, Dienstleister:innen oder Mitarbeiter:innen entstehen.
 
Die Schwierigkeit bei Scope 3 brachte Stefan Alscher, Projektkoordinator Circular Economy bei der Effizienz-Agentur NRW (EFA) auf den Punkt: Nach dem Greenhouse Gas Protocol (GHG) müssen Scope 1- und 2-Emissionen bilanziert werden. Allerdings ist die Bilanzierung der Scope 3-Emissionen optional. Das scheint allerdings wenig sinnvoll, denn in Scope 3 verstecken sich die meisten Emissionen. „Manche Unternehmen versprechen Klimaneutralität, obwohl sie lediglich Scope 1 und 2 bilanzieren und für Scope 3 nur selbst ausgewählte Emissionen der Lieferkette betrachten“, meint der EFA-Projektkoordinator. Damit die Unternehmen der Ernährungswirtschaft also wirklich klimaneutraler werden, muss das große Ganze betrachtet werden – in diesem Fall das Wertschöpfungsnetzwerk. Angefangen bei der Produktion über den Transport bis hin zur Entsorgung durch den Endverbraucher. „Sonst ist Klimaneutralität nur Augenwischerei und ein Marketingtrick“, so Stefan.
 
Unsere Start-ups machen Klimaneutralität vor 
Einige Start-ups aus unserer Community haben sich bereits mit der Klimaneutralität ihres Unternehmens auseinandergesetzt und sich gefragt, wie sie ihre Inputs reduzieren können – auch in Scope 3. 
Das Unternehmen ClimAid, dessen Mitgründer Maximilian Lein zu Gast bei unserem Stammtisch war, hat seine Limonaden von vornherein klimaneutral gedacht. Auch der Vertrieb muss bei der Berechnung des eigenen Fußabdrucks berücksichtigt werden, daher wird ClimAid nur in einem Radius von 100km um den Produktionsstandort ausgeliefert. Das ermöglicht die Verwendung von Mehrweg-Glasflaschen „Da diese bis zu 50-mal wieder befüllt werden können, sparen sie Emissionen – aber nur, wenn man sie nicht weit transportiert“, so Max. Mit einem Euro pro verkauften Kasten unterstützt das Unternehmen Klimaschutzprojekte in einem Umkreis von 100km. ClimAid berücksichtigt alle Produktlebenszyklen von der Verpackung bis hin zur Auslieferung zum Kunden. Auch in der Produktentwicklung hat der Limonaden-Hersteller Ressourceneffizienz im Blick: „Wo möglich arbeiten wir mit lokalen Rohstoffen. So kommen die Äpfel für unsere Apfelschorle zum Beispiel von Streuobstwiesen der Region. Aber Mandarinen wachsen hier leider nicht.“ 
Daher kompensiert ClimAid die noch unvermeidbaren Emissionen, die bei der Produktion, Lagerung und dem Vertrieb der Produkte freigesetzt werden. Dafür unterstützt das Unternehmen von Max ein Waldschutzprojekt in Sambia. Die CO2 Bilanz wurde mit Hilfe von ClimatePartner ermittelt, einem Lösungsanbieter im Bereich Klimaschutz. 
 
Auch das bio-vegane Restaurant Bunte Burger aus Köln hat seine Burger-Pattys klimaneutral gestellt und dabei Scope 3 im Blick gehabt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: um 30% konnten die Emissionen schon reduziert werden, so die Projektverantwortliche, Sophia Ohnhaus. Der Weg dorthin? Beispielsweise arbeitet das Restaurant jetzt mit einem Lohnfertiger mit Sitz in München zusammen, statt in Italien. Bunte Burger vertreibt seine Pattys deutschlandweit im LEH und im Bio-Bereich, stationär und im Online-Handel. Dennoch setzt das Restaurant auf seinen regionalen Schwerpunkt und versucht, die Lieferketten so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Der Vertrieb, der Transport und die Lagerung der Pattys machen insgesamt 17 Prozent der Emissionen aus, die auf dem Weg zum Endverbraucher entstehen. Bei den Rohstoffen und Produktion sind es nur 13 Prozent. 
Ähnlich wie bei den Mandarinen in der Limonade von ClimAid gibt es auch bei Bunte Burger Unterschiede in den Produkten. „Unsere Bio-Jackfrucht aus Sri Lanka hat natürlich einen höheren CO2-Fußabdruck als Kidneybohnen aus der Region“, so Sophia. „Aber wir können einfach nicht alles regional sourcen“. „Dennoch versuchen wir, in jedem Bereich des Unternehmens möglichst nachhaltig zu sein“, fügt sie hinzu. Deswegen engagiert sich Bunte Burger im CO2-Ausgleichsprojekt des Biomassehofs Allgäu eG, der Pflanzenkohle in die Allgäuer Landwirtschaft einsetzt. Eine Tonne Pflanzenkohle entzieht der Umwelt wieder drei Tonnen CO2 und bindet es als Kohlenstoff. Zusätzlich unterstützt das Restaurant das CO2-Ausgleichsprojekt TREEDAY.net, im Rahmen dessen Bunte Burger jeden Tag drei Bäume pflanzt. 
 
Am Ende des Stammtischs sind sich alle einig: jedes produzierende Unternehmen verantwortet durch seine Tätigkeit Emissionen. Wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein und stetig nach Verbesserung zu streben. Besonders wichtig im Bereich der Klimaneutralität ist für Sophia „die Transparenz und, dass sich alle Unternehmen damit auseinandersetzen, wie hoch ihr CO2-Ausstoß ist.“ Und vor allem die Bilanzierung des eigenen Fußabdrucks jährlich zu wiederholen, denn die Daten, die in die Berechnung von Emissionen einfließen, verändern sich regelmäßig. „Ältere Berechnungen bilden womöglich nicht mehr die Realität ab“, mahnt Stefan.
 
Nutzt diese Tools auf eurem Weg zur Klimaneutralität 
Neugierig wie eure Bilanz aussieht und bereit, euren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten? Hier die Tools, die unsere Speaker empfohlen haben:
Stefan hatte im Gepäck:
 
Sophia nutzte die Basisdaten aus der ProBas Datenbank vom Umweltbundesamt und die Erstellung von Formeln in Excel zur Umrechnung der CO2-Bilanz auf je ein Patty/Portionspackung. 

Geschrieben von

Leonie Kellers

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