Das sagt der erste Ernährungswirtschaftsbericht für NRW

Kurz vor Ende des letzten Jahres, am 30.12.2020 hat das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen seinen ersten Ernährungswirtschaftsbericht für NRW vorgelegt. In diesem werden Zukunftsvisionen, Herausforderungen, Trends und Maßnahmen der Ernährungswirtschaft in NRW dargelegt und vor allem der Leitsatz der Landwirtschaftsministerin Heinen-Esser betont: In einer Zeit vieler Herausforderungen konsequent auf Qualität setzen.
 
NRW gilt als zukunftsweisender, breit aufgestellter Standort der Ernährungswirtschaft: fast jeder 5. Betrieb der deutschen Ernährungsindustrie ist in NRW beheimatet. Der Großteil der Betriebe zählt weniger als 50 Mitarbeiter, nur 1% der Unternehmen zählt mehr als 1.000 Beschäftigte. 2018 waren es insgesamt 1.085 Betriebe mit rund 160.000 Arbeitsplätzen, die zusammen einen Umsatz von 40,04 Milliarden Euro erzielten. Zu betonen ist, dass NRW bei dieser Entwicklung über dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Während die die Produktion der Nahrungs- und Futtermittelindustrie ist von 2010 bis 2018 im Durchschnitt nur 3,5% gewachsen ist, ist sie dort um gut 6 % gewachsen. Dazu weist NRW mit einem Anteil 22% des Gesamtumsatzes die umsatzstärkste Ernährungsindustrie in Deutschland auf – mehr als jeder fünfte Euro des gesamtdeutschen Umsatzes der Ernährungswirtschaft wird hier erwirtschaftet. 
Die höchsten Umsätze kommen dabei von Betrieben der Schlachtung und Fleischverarbeitung (12,4 Milliarden Euro), gefolgt von Herstellern von Back- und Teigwaren (5,24 Mrd. Euro) sowie der Getränkeherstellung (4 Mrd. Euro). Dies liegt natürlich unter anderem auch daran, dass Bäcker (1.471 Betriebe) und Fleischer (1.368 Betriebe) den Großteil des nordrhein-westfälischen Ernährungshandwerks ausmachen.

Aufgrund der voranschreitenden Automatisierung von Prozessen sind in einzelnen Teilbranchen der Ernährungsindustrie deutliche Unterschiede zu sehen: Back- und Teigwarenhersteller bspw. haben bereits viele Arbeitsschritte automatisiert, sodass hier weniger Arbeitskräfte notwendig sind, bzw. diese in anderen anfallenden Aufgaben eingesetzt werden. Dagegen ist in Schlachtung und Fleischverarbeitung die Nachfrage an Arbeitskräften höher, denn dort werden viele Prozesse noch manuell vorgenommen. Ein flächendeckender Arbeitsmangel ist nicht zu beobachten, in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung mangelt es jedoch an Fachkräften bei den Stellen mit höherer beruflicher Qualifikation. 

Altersstruktur
Daneben ist eine weitere Herausforderung die sich wandelnde Altersstruktur. Ein Großteil der Beschäftigten ist zwar zwischen 25 und 55 Jahren alt, ein Fünftel ist jedoch bereits älter als 55 Jahre. Aus diesem Grund werden immer mehr Nachwuchskräfte rekrutiert, denen langfristige Chancen im Unternehmen offenstehen, sodass dem sukzessiven Anstieg des Durchschnittsalters entgegengewirkt und so die Branchen verjüngt werden.

Qualität und Regionalität
Eine besondere Stärke der Ernährungswirtschaft in NRW ist das vielfältige Angebot und die hohe Produktqualität, sowie das ausgedehnte Spektrum an Produktionsarten und der hohe Spezialisierungsgrad der Unternehmen.
Generell achten Konsument*innen immer mehr auf die Herkunft von Lebensmitteln.
Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hat die Regionalvermarktung im Bewusstsein der Verbraucher*innen als prägender Trend an Bedeutung gewonnen. Damit gehen ebenfalls Authentizität, hochwertige Qualität, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Gesundheit einher. Weitere Kriterien wie Transparenz, Frische, Geschmack, kurze Lieferketten und besondere Produktionsarten müssen dabei ebenfalls erfüllt sein. Hier hat NRW gute Karten: das Lebensmittelhandwerk überzeugt mit Qualität, Vielfalt, dem Erhalt regionaler Traditionen sowie der Vermittlung von Identität und Heimat.
 
Ein Problem ist, dass Konsument*innen in NRW oft nicht bereit dazu sind, einen höheren Preis für qualitativ hochwertigere Produkte zu bezahlen. Ebenfalls sind aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und des Klimawandels neue Strategien und Lösungen notwendig.
Um diese Probleme so gut es geht zu lösen, empfiehlt Ministerin Heinen-Esser am 30. Dezember ,anlässlich der Vorstellung des Berichts, den Unternehmen, ihr Handeln darauf auszurichten sowie ihre Vermarktungsstrukturen und Netzwerke zu stärken: 
"Es gilt, den mittelständischen Kern nachhaltig zu gestalten. Dabei sollten die Unternehmen konsequent auf Qualität setzen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher dauerhaft zu überzeugen. Entsprechend steige auch das Bewusstsein, dass gute Qualität nicht zum Schnäppchenpreis zu haben ist."

Bio und Nachhaltigkeit
Neben Regionalität spielen auch Nachhaltigkeit und Ökologie eine zunehmend große Rolle. Die Herstellung ökologischer, biologisch angebauter Lebensmittel rückt immer mehr in den Fokus der Gesellschaft. Das Prinzip einer einer nachhaltigen, tiergerechten und umweltschonenden Landwirtschaft wird immer populärer. Dazu werden beispielsweise auf den Einsatz mineralischer Stickstoffdünger und chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel sowie genetisch veränderter Organismen verzichtet und tiergerechte Haltung gewährleistet. 
Der ökologische Landbau weist in NRW definitiv Wachstumstendenzen auf: 2018 waren insgesamt 1.879 Unternehmen in der Verarbeitung im ökologischen Landbau tätig, dies bedeutet, dass jedes zehnte deutsche Bio-Verarbeitungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen beheimatet ist. 
"Die Produzentinnen und Produzenten müssen sich notwendigen Forderungen nach mehr Umwelt- und Klimaschutz, Tierwohl, Nachhaltigkeit und Nutzung der natürlichen Ressourcen stellen. In Vertrieb und Verkauf wächst somit das Erfordernis neuer Angebotsformen und -wege", erklärte die Landwirtschaftsministerin.

Trends und Entwicklungen
Mit der Zeit und besonders durch die Corona-Pandemie haben sich anhand der veränderten Bedürfnisse von Konsument*innen einige Trends wie das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, Vertical und Home Farming und natürlich Industrie und Konsument 4.0 entwickelt.
Die Krise habe ausdrücklich gezeigt, wo die Ernährungsbranche in NRW an ihre Grenzen stößt, wo Innovation benötigt wird, wo Unterstützung notwendig ist und Strukturen aufgrund veränderten Konsumentenverhaltens angepasst werden müssen.

Innovation
In puncto Innovation ist die nordrhein-westfälische Ernährungsindustrie ebenfalls ganz vorne mit dabei: das Land NRW beteiligt sich an zahlreichen Messen, um die Ernährungswirtschaft zu fördern und kleinen Unternehmen dabei zu helfen, Fuß zu fassen und ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Hierzu zählen unter anderem die „ANUGA“ (Köln) – Internationale Messe für die Ernährungswirtschaft und die „BioFach“ (Nürnberg) – Internationale Messe für den ökologischen Landbau. 
Besonders im Bereich der grünen (nachhaltigen) Startups gilt Nordrhein-Westfalen als Hochburg: rund jedes fünfte grüne Startup hat sich hier angesiedelt. 
Für Startups und Unternehmen der Ernährungswirtschaft bieten wir, der Foodhub NRW, als erstes und bislang einziges Netzwerk im Lebensmittelbereich in NRW eine Innovationsplattform zur Vernetzung von Akteuren der Agrar- und Lebensmittelbranche an, um gemeinsam zukunftsgerichtete Lösungen zu entwickeln.
Was NRW an Innovation derzeit noch fehlt, sind nachhaltige Verpackungen bzw. die Möglichkeit, weniger Verpackungen zu verwenden. Denn auch die Verpackung ist hinsichtlich Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Zwar gibt es bereits eine Vielzahl an verpackungsfreien Supermärkten und die Verpackungsindustrie hat im Hinblick auf nachhaltige Lösungen schon deutliche Fortschritte gemacht, doch gibt es hier auch weiterhin Innovationspotenzial.

Fazit
Alles in allem begleitet die Landesregierung die Ernährungswirtschaft auf dem Weg zu einer sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Lebensmittelproduktion auf vielschichtige Weise.
Durch die vielen mittelständischen Betriebe werden Arbeitsplätze geschaffen, die Ernährungsindustrie trägt also in hohem Maße zur regionalen Wertschöpfung und zum wirtschaftlichen Wohlstand in NRW bei.
"Wie wichtig die Ernährungswirtschaft im eigenen Land ist, hat der Belastungstest gezeigt, dem Wirtschaft und Gesellschaft im Kampf gegen die Corona-Pandemie ausgesetzt sind. Für Nordrhein-Westfalen hat der Stresstest bewiesen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft insgesamt gut aufgestellt sind", betonte Heinen-Esser. 
 
Maßnahmen und Ziele des MULNVs für die Zukunft seien eine nachhaltige Lebensmittelwertschöpfungskette zu erzeugen, Vernetzung und Wissenstransfer zu gewährleisten, den Wandel durch Forschung, Digitalisierung und Innovation zu ermöglichen, den Fachkräftemangel anzugehen und regionale Wertschöpfungsketten zu fördern.

Bildnachweis: Canva

Geschrieben von

Lea Sustersic

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