Patentschutz in der Lebensmitteltechnologie

Patentschutz in der Lebensmitteltechnologie: Notwendigkeit oder lästiges Übel?

Die Foodbranche befindet sich derzeit in einem dynamischen Wandel, der vor allem durch ein wachsendes Bewusstsein der Konsumenten für Nachhaltigkeit und Tierwohl sowie gesundheitliche Aspekte von Lebensmitteln geprägt wird. Aktuelle Entwicklungen und Innovationen in der Foodtechnologie fokussieren daher auf nachhaltige Produktions- und Verpackungsmethoden für Lebensmittel, die Entwicklung von sogenannten Functional Foods und die Schaffung von Alternativen zu tierischen Produkten. Vor allem im Hinblick auf Fleisch-, Fisch- und Milchersatzprodukte sowie Proteinalternativen hat es in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom an neuen Ansätzen, Entwicklungen und marktreifen Produkten gegeben. Zwar sind die Marktanteile von pflanzlichen Milch- und Fleischalternativen immer noch verhältnismäßig gering. Es zeichnet sich allerdings ein stetiges Wachstum ab. Im Bereich der veganen Milchalternativen lag der Marktanteil in Deutschland im Jahr 2023 bei fast 10 %. Vor allem pflanzliche Milchalternativen, aber auch Fleisch- und Fischersatzprodukte haben längst ihren Weg heraus aus der Nische gefunden und sich bei den Verbrauchern etabliert. 

Im Bereich der Food-Entwicklung tätige Unternehmen, vor allem Start-Ups und KMUs, werden in diesem innovationsstarken und dynamischen Umfeld früher oder später in der Regel mit der Frage konfrontiert, inwieweit eine Absicherung ihrer Produkte und Innovationen durch Patente oder Gebrauchsmuster sinnvoll ist. Ob und in welchem Umfang Patent- und Gebrauchsmusterschutz angestrebt werden sollte, ist immer eine Einzelfallentscheidung und hängt letzten Endes von verschiedenen Faktoren ab, die bereits im Vorfeld – bestenfalls vor Offenbarung der Entwicklung gegenüber Dritten – durchdacht und abgewogen werden sollten. Ungeachtet der Tatsache, dass gewerbliche Schutzrechte in der Regel einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzunternehmen bieten, ist die Entwicklung einer geeigneten Schutzrechtsstrategie komplex und sollte patentanwaltlich begleitet werden. 

Die Vorteile von gewerblichen Schutzrechten, insbesondere Patenten, liegen zunächst einmal auf der Hand: Sowohl Patent- als auch Gebrauchsmusterschutz bieten eine rechtliche Absicherung vor der unautorisierten Nutzung oder Nachahmung der Erfindung durch Dritte. Da nur dem Schutzrechtsinhaber eine Nutzung der Erfindung zusteht, kann Patent- oder Gebrauchsmusterschutz helfen, die eigene Marktposition zu stärken. Wird die eigene Erfindung nicht geschützt, haben Dritte oft leichtes Spiel, auf den Zug mit aufzuspringen und schnell mit einem Konkurrenzprodukt in den Markt einzudringen. Während das eigene Unternehmen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand in die Entwicklung eines innovativen Produktes gesteckt hat, kann der mit der Innovation verbundene Wettbewerbsvorteil dann durch Nachahmerprodukte wieder zunichte gemacht werden. 

Durch eine gut aufgebaute IP-Strategie können zudem vor allem Start-Ups ihre finanzielle Attraktivität für Investoren deutlich erhöhen. Da Investoren in der Regel mit einer gewissen Gewinnerzielungsabsicht in junge Unternehmen investieren, ist das Interesse üblicherweise hoch, dass die Technologien und Produkte des Start-Ups nicht ohne weiteres von Wettbewerbern nachgeahmt werden können.

Neben diesen grundsätzlich zwar offensichtlichen, aber monetär schwer zu erfassenden Vorteilen bieten Patente und Gebrauchsmuster mit der Möglichkeit zur Vergabe von Nutzungsrechten und Lizenzen auch direkte Monetarisierungsmöglichkeiten für den Schutzrechtsinhaber. Eine Vergabe von Lizenzen kann beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn ein kleines oder junges Unternehmen eine wirtschaftlich wertvolle Innovation gemacht und sich hat schützen lassen, allerdings noch nicht über die Ressourcen verfügt, die geschützte Technologie selbst zu vermarkten. Über eine Lizenzvergabe können etablierte Unternehmen oder auch Unternehmen mit dem passenden Know-How mit ins Boot geholt werden, um das Produkt letzten Endes am Markt zu platzieren. 

Ungeachtet der nicht von der Hand zu weisenden Vorteile von Patenten und Gebrauchsmustern zum Schutz innovativer Food-Entwicklungen sollten dennoch Aspekte wie Kosten, Aufwand bzw. Verfahrensdauer und das Erfordernis der Offenlegung der Erfindung bei der Erarbeitung einer geeigneten Schutzrechtsstrategie mit in die Waagschale gelegt werden. 

Hinsichtlich der Kosten lohnt es sich in der Regel vor allem für KMUs und Start-Ups, sich zu den verschiedenen Fördermöglichkeiten beraten zu lassen. Allen Fördermöglichkeiten voran steht die WIPANO-Förderung (Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen). Bei dieser Förderung sind Zuschüsse für die Patentierung einer Entwicklung in Höhe von bis zu € 16.000 möglich. Da die WIPANO-Förderung an komplexe Auflagen und Förderbedingungen gebunden ist, sollte das Verfahren patentanwaltlich begleitet werden. Darüber hinaus existieren weitere Fördermöglichkeiten, beispielsweise durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand – kurz ZIM –, welches sich im Rahmen der Unterstützung von Innovationsprojekten auch an den Kosten für Patentschutz beteiligt. Auch gibt es Fördermöglichkeiten, die auf zinsgünstigen Darlehen basieren, wie das ERP-Innovationsprogramm. In den Genuss von Förderung kommen in der Regel nur KMUs und Start-Ups, d.h. in erster Linie Unternehmen, für die die Anmeldung von gewerblichen Schutzrechten noch Neuland ist. 

Ein weiterer wesentlicher Punkt, der bei der Auswahl einer passenden Schutzrechtsstrategie berücksichtigt werden sollte, ist die Tatsache, dass Voraussetzung für die Erteilung eines Patents auch die vollständige Offenlegung der Erfindung ist. Auch hier helfen Patentanwälte bei einer Einschätzung, welche Strategie im Einzelfall am besten ist, weiter. Bei Produkten oder Erfindungen, die von Dritten einfach nachvollzogen und analysiert und damit letzten Endes einfach nachgeahmt werden können, ist dieser Punkt wenig kritisch. Eine einfach durchzuführende lebensmitteltechnologische Analysier- und Nachahmbarkeit, wie sie beispielsweise bei Lebensmittelzusammensetzungen in der Regel gegeben ist, spricht vielmehr dafür, die Erfindung auch über Patent- oder Gebrauchsmusterschutz vor unerwünschter Nachahmung abzusichern. Auch wenn die Innovation oder Erfindung in einer neuartigen Verwendung eines grundsätzlich bekannten Produktes liegt, die sich letzten Endes auch vor Wettbewerbern nicht geheim halten lässt, ist eine patentrechtliche Absicherung dieser neuartigen Verwendung anzuraten, um Wettbewerber von einem Markteintritt abzuhalten. Anders kann es sich hingegen bei besonderen Herstellungsverfahren, die für Dritte und insbesondere Wettbewerber nicht nachvollziehbar und im Streitfall schwer nachzuweisen sind, verhalten. Wenn einem Produkt, wie z.B. einem durch ein spezielles Verfahren überdurchschnittlich haltbar gemachten Lebensmittel, das Verfahren quasi nicht anzusehen ist, kann es sinnvoller sein, zugunsten einer Geheimhaltung des Know-Hows von einem etwaigen Patentschutz abzusehen. Welche IP-Strategie den langfristigsten Wettbewerbsvorteil verschafft, kann daher pauschal kaum beantwortet werden und ist immer eine Einzelfallentscheidung, die letzten Endes vor allem vom Produkt selbst und dem wirtschaftlichen Umfeld des Unternehmens abhängt. 

Patentschutz und gute IP-Strategien können insgesamt maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen, sind aber auch komplex und erfordern eine sorgfältige, für den jeweiligen Einzelfall optimierte Planung. Daher zahlt es sich in der Regel auf lange Sicht aus, sich frühzeitig mit diesem zunächst etwas lästig und unüberschaubaren Thema auseinanderzusetzen, um bei aller Begeisterung für das eigene Produkt die damit erlangten Wettbewerbsvorteile auch langfristig abzusichern. Dabei geht es nicht darum, frühestmöglich ein möglichst großes Schutzrechtsportfolio zu generieren, sondern vielmehr möglichst früh eine Basis für die zukünftige Strategie zu schaffen und schwerwiegende Fehler, wie beispielsweise eine vorschnelle Offenbarung von innovativen Lösungen und Erfindungen gegenüber Dritten, zu vermeiden. 

Geschrieben von

Marike Rommeswinkel

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