Eine Narrative für Indoor Farming in Deutschland

Die Nachwirkungen der InFarm-Pleite und Energiepreise sind eine der großen Herausforderungen für Indoor-Farmer in Deutschland. Diese Faktoren führen dazu, dass das Geschäftsmodell "Anbau in geschlossenen Systemen" (Controlled Environment Agriculture/ CEA) von Entscheidern gerne pauschal als nicht wirtschaftlich gesehen wird. Besonders die Pleite des Indoor-Farming-Pioniers InFarm im Jahr 2023 hat Unsicherheit und Vertrauensprobleme verursacht. Diese Insolvenz hat gezeigt, dass selbst etablierte Unternehmen Schwierigkeiten haben können, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, was die gesamte Branche unter Druck setzt.

Den Start-ups fehlt daher wichtige Unterstützung. Dabei ist die Welt des "Indoor Farming" vielfältig, von no-tech zu high-tech, von Salaten über Erdbeeren zu Fisch und Algen. Außerdem ermöglichen neue Kreisläufe ganz neue Perspektiven auf die Energiekosten. 

Die Vielfalt des Indoor Farming war am runden Tisch der Ideenfutter Expo am 11.9.24 in Neuss sichtbar, fast 25 Teilnehmer – darunter Start-ups aus allen Bereichen – waren Teil der Diskussion darüber, wie ein überzeugendes und gemeinsames Narrative für Indoor Farming lauten und welche Rolle der offizielle Begriff Controlled Environmental Agriculture (CEA) spielen könnte. Ebenfalls stark diskutiert: die Notwendigkeit von Vermarktungsstrukturen.

Energiekosten gefährden Rentabilität

Die Indoor-Farming-Branche in Deutschland steht gegenwärtig vor erheblichen Herausforderungen, die ihre Entwicklung und Wirtschaftlichkeit beeinflussen. Zwei der zentralen Probleme sind die steigenden Energiepreise und die Vermarktung von frischen Produkten. Erstens stellen die hohen Energiepreise eine große Belastung für Indoor-Farmer dar. Die Technologie für kontrollierte Umgebungen, wie LED-Beleuchtung und Klimakontrollsysteme, erfordert eine erhebliche Menge an Energie. Mit den aktuell hohen Energiekosten steigen die Betriebsausgaben erheblich, was die Rentabilität vieler Indoor-Farming-Betriebe gefährdet. Einige Unternehmen sind gezwungen, ihre Energiequellen zu diversifizieren oder alternative Lösungen zu suchen, um die Kosten zu senken und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Große Chancen durch neue Kreisläufe

Anbau in geschlossenen Systemen ist bereits heute besonders energieeffizient, wenn die Farmen in der Nähe von Kraftwerken / Fabriken liegen. Insgesamt reduziert die Nutzung der Abwärme und des CO2 die Energiekosten und den Bedarf an zusätzlichen Energiequellen wie fossilen Brennstoffen oder elektrischen Heizsystemen. Dadurch wird das gesamte System nachhaltiger und effizienter.

  • Abwärmenutzung: Kraftwerke produzieren während des Betriebs eine erhebliche Menge an Abwärme, die oft ungenutzt in die Umgebung abgegeben wird. Gewächshäuser in der Nähe können diese Abwärme direkt nutzen, um die Innentemperatur zu regulieren und zu heizen, was den Energiebedarf für künstliche Heizung reduziert.
  • CO2-Quellen: Kraftwerke, insbesondere solche, die fossile Brennstoffe verbrennen, erzeugen CO2-Emissionen. Gewächshäuser können dieses CO2 nutzen, um das Pflanzenwachstum zu fördern. Die zusätzliche CO2-Konzentration im Inneren des Gewächshauses kann die Photosynthese beschleunigen und so höhere Ernteerträge ermöglichen.
  • Nahwärmeversorgung: Durch die Nähe zu Kraftwerken –wie z.B. auch Biogasanlagen – kann ein Gewächshaus einfacher an ein Fernwärmesystem angeschlossen werden. Dies senkt die Kosten für den Transport von Wärmeenergie und vermeidet Energieverluste, die bei der Übertragung über große Entfernungen auftreten könnten. Der Anschluss eines Gewächshauses an eine Biogasanlage beinflusst die Wirtschaftlichkeit eben dieser Biogasanlagen positiv.

Neue Vertriebswege notwendig

Die Energiefrage ist jedoch nicht die einzige Herausforderung: die Start-ups berichten über Schwierigkeiten bei der Vermarktung frischer Produkte aus CEA. Während Indoor-Farming hochwertige und regionale Produkte liefern kann, stehen viele Unternehmen vor der Schwierigkeit, ihre Produkte effektiv zu positionieren und zu verkaufen. Dies hängt zum einen mit den teils höheren Preisen zusammen im Vergleich zu günstigerer Importware. Aber auch damit, dass CEA bei den Konsument:innen noch nicht positiv besetzt ist. Daher ist die Branche aktuell oft auf direkte Verkaufswege, wie lokale Märkte oder Abonnementsysteme, angewiesen, da traditionelle Einzelhändler zögerlich sind, neue Lieferanten aufzunehmen. Auch hier ist eine neue Narrative notwendig, um sich von konventionell angebauten Lebensmitteln abzugrenzen und gleichzeitig die Vorteile von Frische und Nachhaltigkeit klar zu kommunizieren.

Günstiges Umfeld für Innovationen gefordert

Insgesamt steht die Indoor-Farming-Branche in Deutschland also vor der Herausforderung, hohe Betriebskosten zu bewältigen und gleichzeitig effektive Vermarktungsstrategien zu entwickeln, um sich in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt zu behaupten. Die Kombination aus technologischem Fortschritt und politischer Unterstützung könnte jedoch dazu beitragen, dass Indoor-Farming eine zentrale Rolle in der zukünftigen Lebensmittelproduktion einnimmt. Die deutsche Regierung und verschiedene Förderprogramme sollten den Sektor (weiterhin?) durch finanzielle Anreize und Forschungsinitiativen unterstützen. Dies schafft ein günstiges Umfeld für Innovationen und hilft, die Branche voranzubringen. Dennoch bleibt es entscheidend, dass Indoor-Farmer kontinuierlich an der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit ihrer Systeme arbeiten, um sich langfristig im Markt zu etablieren.

Der Kern des Narrativs: Ressourcenschonung und Resilienz

Controlled Environmental Agriculture (CEA) / Indoor Farming revolutioniert die Lebensmittelproduktion, indem sie eine präzise kontrollierte Umgebung bietet, die optimale Wachstumsbedingungen für Pflanzen schafft. Durch die Nutzung fortschrittlicher Technologien ermöglicht CEA eine ressourcenschonende Produktion mit minimiertem Wasserverbrauch und reduziertem Energieaufwand durch die Nutzung smarter Kreisläufe. Diese Methode liefert nicht nur frische, lokale Lebensmittel das ganze Jahr über, sondern trägt auch zur einem nachhaltigeren Ernährungssystem bei und zur Reduzierung der Abhängigkeit von traditionellen landwirtschaftlichen Ressourcen – die besonders von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind.

Der runde Tisch "Indoor Farming" auf der Ideenfutter Expo wurde dieses Jahr bereits zum dritten Jahr in Folge von Jochem Wolthuis als Table Captain moderiert. Sein Kollege Joachim Stracke war in diesem Jahr leider verhindert. Aus dem runden Tisch 2023 ist bereits eine Arbeitsgruppe Indoor Farming im Rahmen des Foodhub NRW entstanden – unter Leitung von Jochem und Joachim, die sich seitdem regelmäßig trifft und austauscht.

Next Steps der Arbeitsgruppe

1.  Weiterentwicklung einer Narrative für CEA in Deutschland

2.  Regelmäßiger Austausch unter einander mit allen verschiedenen Protagonisten entlang der gesamten Wertschöpfungskette (von Bank bis Onlinevermarkter) online & echte Treffen mit der Arbeitsgruppe Indoor Farming

3.   Regelmäßig  Newsletter an die Gruppe mit neuen Infos

4.   Möglicher Firmenbesuch: Peter Becker von Aixponic empfängt seit kurzem Besucher auf seiner ‚Fischfarm‘.

Geschrieben von

Jochem Wolthuis

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