Trend‐Foods richtig anmelden

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Neue Lebensmittel, die auf innovativen Zutaten und Prozessen basieren – das ist der Puls der Zeit. Aber ab wann ist eine Rezeptur oder ein neuer Produktionsprozess schützenswert? Im folgenden Gastbeitrag teilen Ingo K. Strehlke und Alexandra Bettermann, Fachanwälte der Kanzlei von Rohr, die wichtigsten Must Knows zu m Thema Patentschutz, denn Schutzrechte für eigene Techniken helfen dabei, Marktpositionen zu definieren, zu festigen und auszubauen.


Pflanzlicher Ersatz für tierische Erzeugnisse liegt im Trend. In zehn Jahren haben sich die Verkaufsmengen allein in Deutschland von zirka 11 000 Tonnen im Jahr 2009 auf mehr als 26 000 Tonnen im Jahr 2019 verdoppelt, Tendenz steigend. Denn im Zeitraum 2019 bis 2023 hat sich die Produktionsmenge für Fleischersatzprodukte nochmals verdoppelt. Experten gehen vom langfristigen Wachstum des Marktsegments aus.

Mehr als ein Randphänomen

Pflanzliche Ersatzprodukte sind mehr als ein Randphänomen. Dies lässt sich daran ablesen, dass in den letzten zehn Jahren auch die Zahl an Patentanmeldungen und -erteilungen im Bereich „meat-like plant-based products“ gestiegen ist.

Patentanmeldungen und vor allem erteilte Patente ermöglichen es Unternehmen, eigene Entwicklungen und Techniken zu schützen. Veröffentlicht ein Unternehmen eine Entwicklung innerhalb eines Patents, steckt es gleichzeitig im betreffenden Marktsegment einen eigenen, werbewirksamen Rahmen ab. Dies ist in neuen und wachsenden Märkten wie dem für pflanzliche Ersatzprodukte entscheidend, um die eigene Entwicklung zu positionieren und zu verteidigen.

Wie groß der abgesteckte Rahmen wird oder ist, hängt von diversen Faktoren ab. Die Qualität der Patentanmeldung ist – neben dem Innovationspotenzial der Entwicklung – oft mitentscheidend. Wirksamer Patentschutz muss von Anfang an und umfassend bedacht werden, was entsprechender Kenntnisse bedarf. Bei pflanzlichen Ersatzprodukten ist etwa der Schutz von Lebensmittelzusammensetzungen und Herstellungsverfahren wichtig. Für beides sind beim Ausarbeiten der Patentanmeldung Aspekte zu berücksichtigen, die sowohl im Patentprüfungsverfahren als auch in eventuellen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren wichtig sein können.

Patentkriterien

Entscheidungen der Beschwerdekammern (Board of Appeal, BoA) des Europäischen Patentamts (EPA) zu Patenten aus dem Lebensmittelbereich zeigen, dass als Kriterien, ob Patente aufrecht erhalten oder widerrufen werden, etwa „unzulässige Erweiterung“ und „erfinderische Tätigkeit“ besonders entscheidend sind.

Generell wird ein Patent erteilt, wenn die Patentanmeldung eine technische Lehre enthält, die neu und erfinderisch ist – beispielsweise eine Lebensmittelzusammensetzung oder ein Herstellungsverfahren hierfür. Der Begriff „technische Lehre“ impliziert zudem, dass diese ausführbar und insoweit vollständig wiedergegeben sein muss. Eine weitere Voraussetzung: Der Gegenstand, für den das Patent erteilt wird, muss in der Anmeldung enthalten gewesen sein.

Wer im Patentbereich tätig ist, weiß, dass das Bild komplexer ist.

Ähnelt das echtem Fleisch?

Die Aspekte „Neuheit“ und „Ausführbarkeit“ sind am klarsten zu greifen: Wenn die Lebensmittelzusammensetzung bereits vorher irgendwo beschrieben war, ist sie nicht neu. Und wenn die Zusammensetzung nicht so vollständig wiedergegeben ist, dass ein fachkundiger Leser des Patentdokuments (der „Fachmann“) diese nacharbeiten kann, dann ist die technische Lehre nicht ausführbar.

Die Kriterien „erfinderische Tätigkeit“ und „unzulässige Erweiterung“ sind demgegenüber oft weniger scharf definierbar oder deutlich streitbarer. Ein Beispiel ist die BoA-Entscheidung „T 1308/22“ des EPA. Sie zeigt, wie die Änderung einzelner Merkmale von Ansprüchen zu einem Gegenstand führen kann, den das Patentdokument ursprünglich nicht umfasste. In dem Fall hatte der Patentanmelder im Prüfungsverfahren für die Patentanmeldung die Formulierung „the resemblance of real meat“ in „the appearance and the texture of cooked meat“ geändert. So wollte er sich gegenüber anderen Patentdokumenten abgrenzen, um neu und erfinderisch zu sein, damit ein Patent für die Patentanmeldung erteilt wird. Allerdings soll aus der Anmeldung nicht hervorgegangen sein, dass die Begriffe „echtes Fleisch”, „gekochtes Fleisch“ und „Ähnlichkeit mit echtem Fleisch“ speziell Erscheinungsbild und Textur meinen. Zusammen mit weiteren im Anspruch vorgenommenen Änderungen soll sich so eine technische Lehre ergeben haben, die ursprünglich nicht beschrieben und insoweit „unzulässig erweitert“ war. Das erteilte Patent wurde widerrufen.

Es kommt oft auf Kombinationen von Merkmalen an. Häufig sind Merkmale jedoch nur sukzessive beschrieben. Auch Begriffsdefinitionen mit Interpretationsspielraum können entscheidend sein. Im Beispiel sind Merkmale, deren Begriffsinhalt variiert wird, mit solchen kombiniert, die nur nacheinander beschrieben sind. Dabei ist eine Kombination entstanden, die gemäß EPA-Rechtsprechung nicht als offenbart gilt, also eine unzulässige Erweiterung ist. Es kann also wichtig sein, Merkmalskombinationen als solche bereits in der Beschreibung der Patentanmeldung wiederzugeben und interpretationsoffene Begriffe umfassend zu definieren.

Ist das erfinderisch?

Ein Beispiel für Auseinandersetzungen um den Aspekt „erfinderische Tätigkeit“ liefert die BoA-Entscheidung „T 0410/22“. In dem Patent geht es um eine Proteinzusammensetzung mit hydrolysierten Proteinen, die zur Emulsions- und Hitzestabilisierung in Nahrungsmittelzubereitungen eingesetzt wird. Die Entscheidung zeigt, wie das EPA das Kriterium „erfinderische Tätigkeit“ für eine Lebensmittelzusammensetzung adressiert und evaluiert. Hier leitet das EPA ab, dass kein besonderer Effekt oder Kniff mit der offenbarten Lehre oder speziell mit dem Merkmal einhergeht, das den Unterschied zu bekannten Zusammensetzungen ausmacht. Es haben Beispiele gefehlt, die Unterschiede hätten belegen können. In einer solchen Lage ist es schwierig, im Nachhinein zu begründen, dass eine erfinderische Tätigkeit vorlag. In diesem Fall wurde die erfinderische Tätigkeit letztlich anerkannt und das Patent aufrechterhalten – aus formalen Gründen –, etwas, worauf man sich in der Praxis nicht verlassen möchte.

Um eine erfinderische Tätigkeit sicherer zu belegen, sind also aussagekräftige Beispiele wichtig. Sie müssen technische Effekte zeigen, die gegenüber bekannten Zusammensetzungen oder Herstellverfahren geltend gemacht werden.

Einsprüche vorausdenken 

Wie die Fälle zeigen, sollte bereits beim Erstellen der Patentanmeldung nicht nur an das Prüfungsverfahren, sondern auch an mögliche Rechtsbestandsverfahren gedacht werden. Das sind etwa Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren. Sie zeigen zudem, dass ebenso wie für Trend-Foods selbst auch für die schützenden Patente gilt: Auf die einzelnen Komponenten und deren Feinabstimmung kommt es an – und dies ist alles andere als trivial. Ebenso wie in der Lebensmittelentwicklung bedarf es daher auch im Patentbereich entsprechender Experten und deren Unterstützung.


Über die Autoren:

Ingo K. Strehlke ist Patentanwalt und Mitgründer der Kanzlei von Rohr in Nordrhein-Westfalen. Als promovierter Chemiker berät er im Bereich des Patentrechts, insbesondere in den Bereichen Chemie, Pharmazie und chemische Verfahrenstechnik. 

Alexandra Bettermann, ebenfalls promovierte Chemikerin, arbeitet als deutsche und europäische Patentanwältin in derselben Kanzlei. Sie spezialisiert sich auf den gewerblichen Rechtsschutz mit einem Fokus auf Chemie und Verfahrenstechnik.


Dieser Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in „Nachrichten aus der Chemie“, Band 72, September 2024.


Bild: canva

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