Thunfisch aus Erbsenproteinen, Fischstäbchen aus Schwarzwurzeln – während es für Fleischprodukte schon jetzt viele pflanzliche Alternativen gibt, hat die Branche nun auch veganen Fischersatzprodukten als Markt entdeckt. Wir sagen: einer der großen Trends für 2021!
Nestlé hat Ende August 2020 die Thunfisch-Alternative „Sensational VUNA“ auf den Schweizer Markt gebracht, die sich dort bereits jetzt großer Beliebtheit erfreut. Der vegane Thunfisch-Ersatz ist dem tierischen Original in Sachen Textur, Aussehen und Geschmack nachempfunden. Die Thunfisch-Alternative aus Erbsenprotein wird unter der Marke "Garden Gourmet" im Kühlregal angeboten.
Die Hosts des Podcasts
"Völlerei & Leberschmerz" – Carmen Hillebrand, Thomas Knüwer und M. Lee Greene (Co-Founder Foodhub NRW) – sprachen mit Oliver Nussli, R&D Platform Lead Meat Alternatives,
Nestlé, über die Zukunft von Fisch- und Fleischalternativen und wie genau solche Produkte entstehen. Wir haben für euch dieses Interview verschriftlicht. Einen kleinen Ausblick auf die Chancen von Food Innovationen in Europa und die Food Trends 2021 gibt's obendrauf. Den gesamten Podcast kannst du
hier hören.
Völlerei & Leberschmerz: Danke, dass du dir die Zeit nimmst, uns heute ein bisschen mehr zu erzählen über Fleisch- und Fisch Alternativen. Wir haben ja alle den Trend mitbekommen. Der geht ja an keinem Konsumenten vorbei. Es gibt natürlich immer Fragen wie „Wie genau funktioniert das“? Und deshalb ist unsere erste Frage an dich: warum und wie macht man veganen Thunfisch?
Oliver Nussli: Die Nachfrage, die kommt klar von den Konsumenten – das ha man in den letzten Jahren deutlich gesehen. Der Bedarf an Produkten – auf Pflanzen basierten Produkten – die ein tierisches Produkt wie Fleischstücke oder Fischstück imitieren, ist stark gestiegen. Wir hatten ja schon in frühen Jahren viele alternative Produkte, die sind aber ein bisschen in der Nische geblieben. Ich erinnere mich an meine Zeit als Student – da war Tofu im Gespräch als ein Ersatz für Fleisch. Tofu ist ein sehr interessantes Produkt, aber ich denke jetzt nicht, dass es wirklich ein Fleischersatz ist. Neue Technologien haben uns in den letzten Jahren wirklich geholfen, ein neues Produktportfolio anbieten zu können.
Völlerei & Leberschmerz: Wie fällt denn da so eine Entscheidung, dass man jetzt sagt Thunfisch und nicht was anderes?
Oliver Nussli: Ja, wir betreiben ja viel Grundlagenforschung bei Nestlé Research. Es ist nicht so, dass man so eine Technologie jetzt von heute auf morgen entwickeln kann. Da arbeiten wir mit Universitäten und mit Partnern zusammen. Und man hat natürlich das Ziel, eine Technologie zu entwickeln, die dann für mehrere Einsatzgebiete eingesetzt werden kann. Im Burger-Bereich, im Sausage-Bereich und auch im Thunfisch-Bereich. Das ist hier der Fall. Wir verwenden für dieses Produkt die sogenannte Nassextrusions-Technologie. Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen kompliziert an, ist aber etwas, was eigentlich an jeder gängigen Hochschule im Verfahrenstechnik-Bereich auch gelehrt wird.
Physikalische Kräfte nutzen, keine Chemie
Völlerei & Leberschmerz: Wie genau funktioniert das?
Oliver Nussli: Die Extrusionstechnologie basiert auf drei physikalischen Verfahren. Also das ist Hitze, das ist Druck und das sind sogenannte Scherkräfte. Scherkräfte kann man sich vorstellen, dass ist wie eine innere Reibung der Moleküle, wenn sie fließen müssen. Also sie sind ein Gradmesser für die Fließeigenschaften eines Produktes. Und das ist das Schöne an dieser Technologie: Hitze, das kennen wir aus der Küche. Druck – wenn Sie einen im Dampfkochtopf haben zu Hause, kennen Sie das. Und Sie kennen auch Scherkräfte, wenn Sie sich zum Beispiel an eine Pasta- Maschine erinnern, dann haben Sie zwei Walzen, und da lassen Sie so einen Tag durchlaufen. Da kommen dann unter anderem auch Scherkräfte ins Spiel. Und mit dieser Technologie kombinieren wir natürlich diese drei physikalischen Effekte ein bisschen neu. Aber es ist keine Zauberei. Es ist wirklich Physik, die wir in der Küche seit Jahrhunderten benutzen und es kommt keine Chemie rein.
Also wir können eigentlich mitten im Teig, der auf Pflanzenprotein basiert, allenfalls ein bisschen Salzwasser direkt in diesen Extruder rein und ein interessantes Produkt, wie diesen Thunfisch damit herstellen.
Völlerei & Leberschmerz: Die Basis von diesem Thunfisch sei jetzt das Erbsenprotein. Das heißt aber, diese Technologie wenden Sie nicht auf die Erbse an, sondern auf die Gesamtmasse. Aber was muss denn passieren, damit Sie überhaupt erst mal Erbsenprotein bekommen?
Oliver Nussli: Für eine Extrusion brauchen Sie einen gewissen Proteingehalt, weil es geht darum, dass Sie die pflanzlichen Proteine, die in ihren verkugelten und verschachtelten Form vorliegen, in eine längliche Form kriegen, wie bei einem normalen Muskel. Konzentrierung von Protein ist etwas ganz Gängiges, das in der Industrie hier abgeht. Das machen eigentlich die Anbieter von Soja und Erbsen und was es alles gibt auf dem Weltmarkt.
Zum Beispiel Margarine, da ist sehr viel Soja-Öl drin. Jetzt macht es natürlich Sinn, wenn Sie die Sojabohne ausgepresst haben mit dem Öl, dass Sie das bestehende Protein und auch die Kohlenhydrate, die noch drin sind, weiter verwerten. Und wenn Sie das Öl auspressen, haben sie ja auch schon unter anderem eine Konzentration an Proteinen. Also da gibt's verschiedene Verfahren mechanisch, es gibt auch Verfahren mit gewissen Lösungsmitteln, aber das ist jetzt heutzutage nicht mehr sehr aktuell, dass man den Protein Gehalt in diesen Rohmaterialien konzentrieren kann.
Völlerei & Leberschmerz: Warum denn Erbsen? Das ist ja bei Beyond Meat und den anderen Burgern. Gerade scheinen ja Erbsen das Ding zu sein. Warum nicht gerade Linsen oder Lupinen oder was auch immer?
Oliver Nussli: Die zwei wichtigsten sind Soja und Erbsen, die wir auf diesem Gebiet zurzeit sehen.
Es ist nicht so, dass man nichts anderes verwenden möchte, ganz im Gegenteil. Wir wären froh, wenn wir noch weitere Möglichkeiten hätten. Aber es gibt natürlich andere Faktoren. Regulatorisch muss das Konzentrat bewilligt sein, weil das Allergien auslösen könnte. Das ist heute in Europa nur mit Soja und Erbse der Fall. Also wir können keine Kichererbsen nehmen, weil das ist im Novel Food Approval Prozess.
Und dann müssen auch genügend Mengen da sein, dass Sie das produzieren können. Und bei den Lupinen ist es leider heute nicht der Fall. Sie kriegen einfach die Tonnage nicht. Also ist nicht eine Frage des Willens. Ist es wirklich eine Frage: Was gibt's auf dem Markt?
Völlerei & Leberschmerz: Wo kommen denn die Erbsen her?
Oliver Nussli: Bei unserem Thunfisch sind die Erbsen alle europäischen Ursprungs.
Völlerei & Leberschmerz: Wenn man das jetzt so hört, es ist ein sehr komplexer technischer, chemischer Prozess. Viele Menschen glauben, dass vegan eine natürliche Ernährung ist. Ist letztendlich vegane Ernährung in so großen Mengen nur im Grunde durch eine Verkünstlichung der Food Produktion erreichbar?
Oliver Nussli: Wir arbeiten mit physikalischen Effekten und nicht mit chemischen Effekten.
Und das ist das Schöne. Dieser Thunfisch, den sie da probiert haben, der hat sechs Zutaten. Eines davon ist Wasser und es gibt noch fünf weitere. Und ich denke, dass ein Produkt, da können Sie jetzt nicht mehr von Chemie sprechen. Das muss man wirklich betonen. Der heutige Konsument, der will nicht ein neues Molekül, das wir dann mit E-Nummer deklarieren müssen. Diese Zeiten sind definitiv vorbei.
Gerade für uns als Anbieter ist es eben sehr wichtig, dass wir Technologien haben, die auf Physik setzen, dass wir das so natürlich wie möglich halten können und, dass wir eben auch diese physikalischen Effekte aus der Küche eigentlich benutzen, um das herzustellen. Es ist richtig, dass wenn Sie sich vegan ernähren wollen, ist das ein großer Aufwand und da müssen Sie viel Zeit investieren. Ich glaube, mit dem Angebot, das sich jetzt wirklich erweitert – und das ist ja viel größer ist als nur Nestlé – will man dann den Leuten etwas zu Verfügung stellen, das ihnen das Leben einfacher macht.
Man muss aber auch berücksichtigen: es gibt nicht die feste Veganer-Masse. Es gibt sehr viele Leute, die sind dann vielleicht ein Jahr vegan, dann gehen sie wieder auf vegetarisch und dann wechseln sie wieder. Das ist also doch etwas flexibel.
Völlerei & Leberschmerz: Sie haben im Prinzip als Nestlé gar nicht gesagt „Wir entwickeln einen Thunfisch“, sondern wir entwickeln erstmal einen Prozess, eine Technologie, mit dem wir dann Ersatzprodukte aus einer Protein Masse herstellen können. Und dann haben sie gesagt „Ok, jetzt habe ich diese Technologie, jetzt können wir die Anwendung machen“. Wie lange hat es denn gedauert, diese Technologie zu entwickeln und wie lange dauert es jetzt in Folge diese Technologie jeweils anzuwenden? Und wird das dann immer schneller in die Phasen, weil sie sich immer besser der Technologie auskennen?
Oliver Nussli: Zuersteinmal, es steckt Grundlagenforschung dahinter, wenn's darum geht eine neue Technologie zu entwickeln. Und wie gesagt, da arbeitet man mit Hochschulen und mit Partnern zusammen. Das sind so große Dinge, die will man nicht unbedingt allein machen. Wenn sie dann die Technologie mal haben, dann geht's eben auch um Rohmaterialien. Wie verhalten sich diese in diesem Verfahren? Und gerade bei dieser Extrusionstechnologie ist es so: wenn Sie beispielsweise Soja beherrschen, heißt es nicht, dass Sie gleichzeitig die Erbse beherrschen. Noch komplexer wird es dann, wenn Sie anfangen, verschiedene Rohmateralien zu kombinieren. Im Thunfisch ist zum Beispiel Erbsen- und auch Weizen-Eiweiß drin. Die Komplexität wird höher, dafür werden die Möglichkeiten auch viel größer, was Sie damit genau herstellen können. Beim Thunfisch ist es so abgelaufen, dass wir natürlich ein bisschen getüftelt haben. Natürlich haben wir Versuchsanlagen aufgebaut. Es ging dann circa 12 Monate vom ersten Prototypen, den wir hergestellt haben.
Völlerei & Leberschmerz: Da habt ihr vorher Karotten ausprobiert. Jetzt nur als Beispiel. Hattet ihr noch etwas anderes ausprobiert?
Oliver Nussli: Ja, also ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, was wir alles in der Forschung machen, das ist natürlich Geschäftsgeheimnis. Aber die Produkte, die wir auf dem Markt haben, also der Burger in Europa, der ist beispielsweise auf Soja-Basis. Der Thunfisch ist jetzt auf Erbsen-Basis. Wenn wir dann nach Amerika gehen, dort haben wir den Burger auch auf Erbsen-Basis. Also es hängt bei uns auch immer ein bisschen zusammen, was der lokale Markt genau will. Und da richten wir uns danach aber nach verschiedenen Pflanzeneiweißen.
Völlerei & Leberschmerz: Das ist spannend. Der europäische Markt will Soja? Ich dachte die europäischen Veganer stehen alle auf den Straßen und schreien „Rettet den Regenwald!“
Oliver Nussli: Ja, sie schneiden das Brasilien-Thema an, also den Soja, den wir im Burger haben, der kommt aus den USA und der Rest aus Europa. Also wir haben keinen brasilianischen Soja in unserem Burger. Das stellen wir ganz sicher. Wir haben auch kein genmodifiziertes Soja in unseren Burger. Da haben wir alle entsprechenden Zertifikate. Es ist für uns absolut wichtig. Da wollen wir ganz sauber sein.
Soja wird ja nicht nur für die menschliche Ernährung benutzt, sonst wird auch für die Tier-Mästung benutzt. Also muss ich mal ein bisschen differenzieren, für was jetzt dieses Soja in Brasilien auch angebaut wird. Und mehr Fleischkonsum führt natürlich auch dazu, dass mehr Futtermittel angebaut werden muss. Und Soja ist eines davon.
Völlerei & Leberschmerz: Ja, absolut. Und ich fand das total spannend. Das muss man gleich nochmal betonen, was Sie am Anfang gesagt haben. Das ist vielleicht ein bisschen untergegangen. Die Masse, die sie nutzen, um diese Sojaprodukte zu machen, ist ja im Prinzip ein Nebenstrom aus der Soja-Ölproduktion. Das ist im Prinzip auch Masse, die anderweitig überhaupt gar keine Verwendung finden würde. Und zu sagen „Damit schaffen wir Wert, das verwenden wir weiter“. Ja, genau wie ich sage, ich will ein Tier von Nose to Tail essen, will ich natürlich auch eigentlich Soja komplett nutzen und nicht nur ein Teil fürs Öl und den Rest schmeiße ich auf den Kompost oder schmeiße ich in die Biogasanlage.
Von daher ist das ja grundsätzlich ein super Ansatz mit dem Soja. Ich habe mich jetzt nur gewundert, dass ausgerechnet der Konsumentenwunsch in Europa offensichtlich sagt, die europäischen Konsumenten bevorzugen Soja über Erbse.
Oliver Nussli: Also vielleicht zwei Dinge. Was ich gesagt habe mit dieser Soja-Ölproduktion, das waren Beispiele. Das heißt jetzt nicht, dass alles Soja genau aus diesem Prozess kommt. Da gibt gibt's sehr viele Ströme wie die verschiedenen Proteine und Öle auf Pflanzenbasis hergestellt werden. Man sollte sich nicht nur auf diesem behaften lassen.
Das Soja-Thema, Erbsen-Thema, das ist jetzt nicht schwarz oder weiß. Natürlich finden Sie jetzt in Europa Konsumenten, die vielleicht sagen ich habe jetzt lieber die Erbse als den Soja. Da machen wir natürlich Studien. Was kommt am besten an, was haben die Konsumenten am liebsten?
Zielgrößen Textur, Geruch, Geschmack, Kochverhalten und Nährwerte
Völlerei & Leberschmerz: Und eine Frage noch. Gerade bin ich über eure neue Werbung gestolpert für den Burger. Da steht jetzt „Schmeckt jetzt noch besser“ groß drauf. Wenn ihr so ein Alternativprodukt macht, gibt's ja mehrere Komponenten. Also man hat die Textur, man hat den Geruch, man hat den Geschmack und man hat das Verhalten am Kochen.
Das sind die vier Komponenten, wo man irgendwie dem ursprünglichen Produkt nahekommen will – wie priorisiert ihr das?
Oliver Nussli: Man muss unterscheiden, es ist sich nicht bei jedem Produkt dasselbe, also z.B. das Kochverhalten vom Burger, der die Farbe von dem rötlichen zu einem braunen Ton wechselt, ist eine andere Herausforderung. Die haben die beispielsweise beim Thunfisch so nicht. Ein Element, das du vielleicht vergessen hast, ist auch der Nährwert. Der spielt natürlich auch eine große Rolle. Also wenn jemand Fleischersatz-Produkt kauft, dann gehen wir davon aus, dass er erwartet, dass er ein ziemlich ähnliches Nährwertprofil erhält, wie wenn er ein Stück Fleisch kaufen würde.
Darauf achten wir, also dass sich der Proteingehalt, der Fettgehalt und auf die ganzen Mikronutrienten, Makronutrienten sehr ähnlich verhalten. Die größte Herausforderung ist, wie gesagt, die Textur, weil das Pflanzenprotein in seiner ursprünglichen Form als Protein eher in dieser kugeligen Form vorliegt. Das ist eine lange Aminosäuren-Kette und wir müssen eigentlich diese verknäulte Kette eine längliche Form bringen, was eben den Muskel imitiert, der so aufgebaut ist. Das machen wir mit Druck, Temperatur und diesen Scherkräften. Und dabei muss das Protein aber intakt bleiben. Wenn wir die Struktur zerstören, also die Aminosäure-Abfolge, dann kommt schon was raus, aber das ist keine Fleisch-Alternative. Das ist sehr wichtig. Das ist nicht ganz so einfach, das technisch hinzukriegen.
Als zweites folgt der Geschmack. Die Dinge müssen schmecken. Das wissen viele Leute nicht – auch wir bei Nestlé wir arbeiten sehr viel mit Chef-Köchen zusammen. Moderne Lebensmittelentwicklung, das passiert nicht im Labor.
Natürlich, wenn sie die Proteinsequenz bestimmen wollen, dann müssen sie ins Labor. Aber das geht dann eigentlich sehr rasch in die Versuchsküchen, wo Köche ins Spiel kommen. Wie können wir das Flavouring hinkriegen? Mit natürlichen Aromen, mit Extrakten aus Gewürzen usw., um zu verhindern, dass wir nachher eine Zutatenliste haben, die niemand versteht oder die sehr kryptografisch daherkommt. Geschmack ist wirklich wichtig und da geht es wirklich um Kulinarik.
Ich meine, wir haben jetzt schon vermehrt Versionen des Burgers auf den Markt gebracht. Die Zutatenliste ist deutlich kürzer geworden, seit der ersten Version aus 2018. Thunfisch, ebenso sechs Zutaten, sind wir stolz drauf, dass das so kurz ist. Und das wird auch weiterhin in diese Richtung gehen.
Es gibt auch Dilemmas beim Nährwertgehalt, das ist vielleicht interessant zu wissen. Fisch hat ja diese Omega 3 Fettsäuren. Jetzt haben wir natürlich versucht, es bei unserem veganen Thunfisch auch reinzubringen. Wir verwenden Rapsöl dafür, weil Rapsöl enthält auf natürliche Weise auch dieses Omega 3. Wenn Sie sehr viel von diesem Rapsöl zufügen, dann haben Sie Omega 3, aber Sie haben auch viel Energie, weil Fett ist sehr energiehaltig. Also wo machen Sie jetzt den Trade-off? Und da müssen wir dann halt mal eine Entscheidung fällen und sagen „Okay, wie probier's mal so und sehen, wie es geht“.
Was kommt als nächstes?
Völlerei & Leberschmerz: Welche Trends siehst du für 2021? Haben wir dann schon Clean Meat, haben wir Fleisch aus dem Labor gezüchtet, zu Preisen, die man sich leisten kann. Wo geht's hin?
Oliver Nussli: Wir haben öffentlich gesagt, das pflanzenbasiert für uns eine große Priorität ist. Wir investieren entsprechend in dieses Gebiet, weil wir glauben, bei der Pflanze ist dem Konsumenten bekannt, wenn er das liest, dann weiß er, was er kriegt. Also von unserer Seite steckt viel im pflanzenbasierten Bereich, also Fleischalternativen und auch Milchalternativen. Was du ansprichst sind natürlich neue Technologien, also Cultured Meat. Es geht auch um andere Eiweißquellen wie Insekten oder sonstige.
Das sind auch neue Quellen bei diesem Cell-cultured Meat hat man zwar Wege aufgezeigt, aber es ist noch nicht sicher, wie das dann genau bewilligt wird. Wer wird der erste sein? Ist es die USA, ist es Singapur? Dann gibt es auch noch viele Fragezeichen: wird es der Konsument akzeptieren zu bezahlen, das hast du selbst angesprochen. Also für uns ist das eher etwas Mittel- bis Langfristiges, bis das massentauglich ist, was wir gesehen haben.
Völlerei & Leberschmerz: Und wann bekommen wir das Vuna nach Deutschland?
Oliver Nussli: Nächstes Jahr.
Europa – Standort mit Zukunft?
Völlerei & Leberschmerz: Eine andere Frage: hat der Standort Europa eigentlich je eine Chance, wenn es um den Bereich Food Innovation geht? Also Nestlé als Schweizer Konzern, der in Europa sitzt? Also Food Innovation kommt ja eigentlich aus anderen Ländern momentan, also Israel, USA, Asien.
Oliver Nussli: Mehr denn je sogar. Was du in den Händen hältst, wurde in der Schweiz entwickelt und in Deutschland produziert. Als Nestlé investieren wir in eine Initiative, die nennt sich „Swiss Food & Nutrition Valley“. Das geht auch ein bisschen nach Deutschland rüber. Aber wir haben in der Schweiz so viele große Firmen in der Lebensmittelindustrie, dass wir viel Potenzial sehen, dass wir da zusammenarbeiten können. Also wir haben die zwei größten Flavour-Firmen Givaudan und Firmenich.
Wir haben den größten Maschinenhersteller mit Bühler in der Lebensmittelindustrie. Wir haben die Nestlé, wir haben super Hochschulen, da ist eine riesen Infrastruktur im Food- und Nutrition-Bereich vorhanden. Wir möchten eigentlich viel mehr sogar dieses Swiss Food & Nutrition Valley als ein Silicon Valley für Food und Nutrition aufbauen. Es ist natürlich eine langfristige Sache, aber wir möchten viel mehr Start-ups, viel mehr Investoren nach Europa holen. Da ist schon so Infrastruktur vorhanden, technisch, wo wir mit Start-ups zusammenarbeiten können. Also ich bin da sehr positiv, dass da auch noch viel kommt.
Völlerei & Leberschmerz: Du hast gerade die zahlreichen Schweizer Unternehmen erwähnt, die aber auch alle dem mittleren Mittelstand schon entwachsen sind. Glaubst du, dass der Markt für Fleisch- und Fischersatz etwas ist, was eher von Großkonzernen abgedeckt wird und wo Mittelständler eigentlich keine Chance haben, weil es ein hohes Innovationspotenzial braucht, das umzusetzen?
Oliver Nussli: Was wir in den USA gesehen haben, ist das Start-ups jetzt sehr rasch groß geworden sind. Also ihr kennt sicher „Beyond Meat“, ihr kennt sicher „Impossible Meat“, da gibt es noch weitere, im Ei-Bereich, im Milch-Bereich etc. Also innovative Start-ups, die mit einer Technologie kommen, die haben beste Chancen darauf, mitzuspielen. Und wenn die sehr schnell wachsen, dann sind sie auch sehr schnell mittelständisch. Also ich glaube, da kann man keine spezifische Kategorie festlegen, das wird offen sein.
Völlerei & Leberschmerz: Vielen Dank, Oliver, für deine Zeit.