„Meinungsunterschiede mit Investoren gehören dazu“ – Start-up Gründer erzählen

Normalerweise findet die jährliche AgriFood Summit, die von Crowdfoods organisiert wird, auf der Insel Mainau statt. Normal ist in diesen Tagen aber höchstens, dass alles digital stattfindet und so findet stattdessen vom 22.bis 26. März die AgriFood Summit Online Week statt, bei der natürlich auch Foodhub NRW nicht fehlen darf.

Am Mittwoch luden wir unter dem Titel „Erfolgreich mit Investoren zusammenarbeiten“ Jan Grabow von NOMOO, Anne-Liis Theisen von ÖselBirch und Benjamin Jakob von BenFit als Speaker aus unserem Netzwerk zu einer Talkrunde ein, um von ihnen ganz genau zu erfahren, wie ihre Zusammenarbeit mit Investoren aussieht?

So werden die Start-ups finanziert

Eine kleine Umfrage als Opener der Talkrunde zeigt, dass knapp 82 % über Bootstrapping, 62,5 % über Family, Friends and Fools, 50 % über Business Angels, 33 % mit Hilfe von Strategischen Partnern und niemand über VCs finanziert wird. Die Umfrage richtet sich jedoch nicht nur an die Speaker, sondern auch an jene Teilnehmer aus dem Publikum, die selbst in einem Start-up arbeiten. Die Mehrfachnennung bei den Antworten macht diese eindeutigen Ergebnisse möglich.

Bei der anschließenden und darauf aufbauenden Frage an die drei Speaker bestätigt sich dieses Bild. Bootstrapping spielt auch bei ihnen eine entscheidende Rolle, gefolgt von Darlehen – etwa durch die kfw-Bank oder die NRW-Bank – und später auch durch Business Angels oder Family and Friends. Alle drei Speaker sind sich einig, dass Business Angels zwar wichtig sind, jedoch erst so spät wie möglich ins Boot geholt werden sollten. Der Grund: Die meisten erheben nicht nur finanziellen Anspruch, sondern würden auch gerne mitreden, was beim Markenaufbau nach eigenem Gusto jedoch nicht immer vorteilhaft ist. 

Diese Kosten kommen vor der Zusammenarbeit mit einem Investor auf das Start-up zu

Wer an Investoren denkt, denkt schnell an das große Geld. Beziehungsweise an externes Geld, das einem ohne verhältnismäßig viel Aufwand schnell zur Verfügung gestellt wird, sobald man einen Investor von sich überzeugt hat. Dabei wird schnell vergessen, dass es im Vorfeld einiges juristisch zu regeln gibt, für das man ein gewisses Eigenkapital benötigt. Schließlich müssen Verträge abgeschlossen, und Details des Vertrags gegebenfalls mit juristischer Unterstützung ausgehandelt werden. Während ÖselBirch das Glück hatte, dass Annes Schwester selbst Anwältin ist und die Kosten in Estland sehr gering sind, weswegen sie bei ihrem wichtigsten Vertrag mit etwa 200,00 € davon kamen, sah das bei Jan schon ganz anders aus. Der bislang wichtigste und größte Vertrag mit einem Investor kostete NOMOO allein 10.000 € für den Anwalt, der die Verhandlungen führte plus weitere 15.000 € für den Notar. Auch BenFit investierte dafür schon 2.500 € bis 5.000 €.

Die eigene Persönlichkeit ist ausschlaggebend 

Wer als Start-up auf der Suche nach einem geeigneten Investor ist, muss nicht nur mit seinem Produkt oder Businessplan überzeugen. Letztendlich sei die eigene Persönlichkeit sowie das Team ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit. Natürlich spiele auch das Produkt eine Rolle und vor allem, ob es im Trend liegt. Da die Produkte unserer drei Speaker sich jedoch alle im Nachhaltigkeitsbereich in Kombination mit gesunder Ernährung befinden, war dies bei allen drei Start-ups per se schon gegeben. „Man sieht, dass dieser Trend auch eine immer größere Rolle für große Unternehmen spielt“, sagt Ben. Da einer seiner Investoren bei Mars arbeitet, bekommt er dies hautnah mit. Auch Anne sagt, dass sie mitbekommen habe, dass das Accelerator Programm von Nestlé einen ernsthaft nachhaltigen Ansatz vertrete und die wirklich versuchen, ihr Unternehmen von unten nach oben nachhaltiger zu gestalten, es aufgrund der Größe des Nestlé-Imperiums jedoch ein langwieriger Prozess sei. Konsens besteht auch bei der Meinung, dass die meisten Investoren zwar vom Trend überzeugt sind, dies jedoch nicht unbedingt auch aus persönlicher Überzeugung und aus dem Herzen heraus machen. Dies sei eher bei den Investments von Family and Friends der Fall.

Auch Investoren müssen persönlich überzeugen

Bei der Entscheidung, mit welchem Investor man als Start-up zusammenarbeitet, spielt vor allem die zwischenmenschliche Ebene eine große Rolle. Bei ÖselBirch war es beispielsweise so, dass nach ihrem Auftritt in der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ eine Vielzahl an potentiellen Investoren auf sie zukam. Gepasst hat es letztendlich aber mit keinem von ihnen. Ausschlusskriterien waren entweder ein schlechtes Bauchgefühl oder wenn ein potentieller Investor direkt mit Verbesserungsvorschlägen ankam, was besser gemacht werden könnte – gerade, wenn es entgegen der Ideale und Werte des Start-ups war. Auch Ben betont, wie wichtig die persönliche Ebene sei und dass man im Gespräch schnell merke, ob es menschlich passe oder nicht und auch, ob die Visionen beider Parteien zusammenpassen. 

Wenn all das der Fall ist und es zu einer Zusammenarbeit kommt, bedeute dies aber keineswegs, dass alles immer rosig ist: „Meinungsverschiedenheiten gibt es häufig, die gehören aber auch dazu“, sagt Jan. „Solange man sachlich argumentiert, hat man es letztendlich selbst in der Hand, die Diskussion auf seine Seite zu bringen. Die Auseinandersetzung ist auch gut, um den eigenen Standpunkt zu reflektieren und bei guten Gegenargumenten rücken wir auch durchaus mal von unserer Meinung ab.“ Das sieht auch Ben so: „Meinungsverschiedenheiten gehören dazu, darüber lernt man sich kennen. Und auch Fehler machen gehört zur Start-up-Mentalität – daraus lernt man.“

Investoren agieren primär strategisch

Doch inwiefern wirken Investoren im Tagesgeschehen eines Start-ups mit? In welchen Handlungsbereichen agieren sie eigentlich? Schnell wird deutlich, dass die meisten Investoren eher strategisch im Hintergrund mitarbeiten und vor allem für Finanzierungsrunden und Gespräche mit Banken einbezogen werden. Sie erhalten kurze monatliche Reportings mit wichtigen Zahlen zur Entwicklung des Start-ups. Lediglich Ben arbeitet auch mit einem Investor zusammen, der häufiger persönlich involviert ist. Der besagte Investor ist bereits in Rente, hatte lange Zeit eine Führungsposition bei Kamps und vertritt daher nicht nur strategische Interessen, sondern auch emotionale. So weit, dass er einen eigenen Schreibtisch hätte, ginge es aber nicht. Viel mehr gebe er Ratschläge und gucke den anderen gelegentlich über die Schulter. Demnach gibt es weder bei NOMOO, noch bei ÖselBirch oder BenFit einen Investor, der Einfluss auf das operative Tagesgeschäft hat. 

Was Investoren wirklich interessiert

Natürlich dreht sich bei Investoren alles um Gewinnoptimierung. Schließlich investieren sie in Start-ups, um dort ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Daher sind die wichtigsten aller Zahlen die der Wachstumssteigerung und die des Umsatzes: „Das wird der Job die nächsten Jahre bleiben, diese Zahlen zu steigern“, resümiert Jan daher. Darüber hinaus interessiert natürlich auch eine möglichst flächendeckende Platzierung im Einzelhandel oder ein Überblick darüber, was über den eigenen Onlineshop vertrieben wird. Denn über den vertreiben inzwischen alle drei ihre Produkte.

Bei BenFit spielt er sogar eine signifikante Rolle, da das Start-up nicht nur einen Kundenstamm aufbauen will, sondern vielmehr eine Community. Daher investiert BenFit in Designer, IT-ler und ein vernünftiges Performance Marketing, das natürlich auch entsprechend skaliert wird, um genau rückverfolgen zu können, was gut funktioniert und was weniger: „Das Beste, um nachhaltig eine Marke aufzubauen, ist eine möglichst flächendeckende Präsenz im Lebensmitteleinzelhandel mit einem gut funktionierenden Onlineauftritt zu kombinieren“, konkludiert Ben. 

Die drei Speaker

Jan Grabow, Co-Founder und CEO von NOMOO: Nachdem er 2016 die Dokumentation „Cowspiracy“ gesehen hatte, die über die Auswirkungen des Konsums tierischer Produkte auf unser Klima aufklärt, war für ihn klar, dass das so nicht weitergehen kann und es mehr vegane Alternativen geben muss – warum also nicht auch leckeres, nachhaltiges veganes Eis? Inzwischen gibt es NOMOO bei mehreren hundert Einzelhändlern in ganz Deutschland zu kaufen sowie in ersten Geschäften in Österreich, der Schweiz, und Luxemburg. Seit wenigen Monaten gibt es zusätzlich einen eigenen Onlineshop.

Anne-Liis Theisen, Co-Founder und CEO von ÖselBirch: Anne ist vielen wahrscheinlich bereits durch ihren Auftritt in der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ bekannt. Sie ist das Gesicht der deutschen Vermarktung ihres estländischen Familienunternehmens. ÖselBirch ist organisches Birkenwasser, das in den Wäldern Estlands frisch vom Baum gezapft wird. Anschließend wird es fermentiert, sodass es nicht nur länger haltbar ist, sondern auch probiotisch und daher besonders gesund – das ideale Erfrischungsgetränk! OselBirch ist sowohl im Einzelhandel vertreten, als auch online über den eigenen Onlineshop.

Benjamin Jakob, CEO von BenFit-Nutrition: 2018 gründete er Ben aus der Vision heraus, gesündere Lebensmittel mit besonderen Nährwerten und Zutaten zu entwickeln. Dabei war es ihm von Anfang an besonders wichtig, dass die Nährwerte vor allem für Sportbegeisterte einen Mehrwert bringen. Dementsprechend haben sie viele Proteine und wenig Kohlenhydrate, um den Körper mit allem zu versorgen was er braucht, um gesund Muskeln aufzubauen. BenFit startete einst vor allem mit proteinreichen Backwaren, inzwischen wird das stetig wachsende Sortiment um eine Vielzahl an herzhaften und süßen Snacks ergänzt. Auch BenFit setzt in Punkto Vertrieb auf die Mischung aus Lebensmitteleinzelhandel und eigenem Onlineshop.

Geschrieben von

Jana Leckel

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