Start-ups, die dem Plastikmüll den Kampf ansagen

Das Problem mit den Verpackungen wird beim Thema Plastik besonders deutlich. In den 1950er Jahren wurden weltweit jedes Jahr ungefähr 1,5 Millionen Tonnen Kunststoff produziert,  2016 waren es bereits 335 Millionen Tonnen, 2019 sogar 370 Millionen Tonnen – Tendenz steigend. Es liegt auf der Hand: wir produzieren zu viel Plastik, besonders als Verpackungsmaterial, und recyclen zu wenig. 

Aber ohne Verpackungen geht es in den wenigsten Fällen, denn sie haben die Funktion die Lebensmittel vor Bakterien, Schädlingen, Feuchtigkeit oder Licht zu schützen. Verzichten wir auf sie, werden einige unserer Lebensmittel schneller ungenießbar. 

Neue Lösungen müssen her und neue Materialien ins Regal. Start-ups sind hier oft Vorreiter: Pfand- bzw. Mehrweg-Systeme, rPET, kompostierbare Verpackungen oder unverpackt Lösungen. Auch wenn nachhaltige Verpackungsalternativen häufig teurer sind. In diesem Artikel stellen wir euch einige dieser Vorreiter vor.

Der Veränderungsdruck steigt
Der politische Druck ist da: der European Green Deal hat zum Ziel, dass nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zur Norm werden, und Verbrauchsmuster so zu verändern, dass von vornherein kein Abfall erzeugt wird; die Einwegplastik-Richtlinie der EU, will die Verschmutzung durch Einweg-Plastik deutlich verringern und legt u.a. Marktbeschränkungen für einige Plastikprodukte. 
 
Und auch die Verbraucher nehmen sowohl sich selbst als auch Unternehmen stärker in die Pflicht, etwas gegen den Plastikmüll zu tun. Laut einer Umfrage von Brandwatch bestätigen in der Umfrage 66% der Befragten, auf Plastiktüten und je 61 % auf Einweg-Kaffeebecher und Plastikstrohhalme zu verzichten, um Plastik zu reduzieren. Sie sind sogar bereit, etwas höhere Preise bei Lebensmitteln zu akzeptieren, wenn dadurch weniger Plastik zum Einsatz kommt.


Das sind die Start-ups aus NRW, die die dem Plastikmüll den Kampf ansagen.
Dieser Beitrag wird dauerhaft um spannende Unternehmen bzw. Start-ups erweitert, die Verpackungen revolutionieren. Wenn ihr eines dieser Unternehmen seid, oder eins kennt, lasst es uns gerne wissen.
 
Pflanzliche Verpackungen
„Wasser aus Birken in einer Verpackung aus Planzen“, so lautet der Claim der Zusammenarbeit von Öselbirch aus Estland/ Köln und TetraPak. Öselbirch produziert Bio-Birkenwasser in verschiedenen Sorten. Zunächst gab es das Getränk jedoch nur in Glasflaschen. Im letzten Jahr hat sich Öselbirch dann dazu entschlossen, gemeinsam mit TetraPak für den Birkensaft Verpackungen aus pflanzenbasiertem Material herzustellen, da die Transportwege für die schweren Glasflaschen zu weit waren und somit nicht viel nachhaltiger wären als eine Plastikverpackung. Nun bestehen Verpackung und Flaschenverschluss des Bio-Birkenwassers hauptsächlich aus pflanzlichen Materialien. Das Carbon Trust-Label belegt außerdem die Schritte, die unternommen wurden, um die CO2-Emissionen von Verpackungen erheblich zu reduzieren. In diesem Fall wird durch die Umstellung der Verpackung der CO2-Fußabdruck um 20% reduziert. Mehr dazu im Interview mit der Öselbirch Gründerin Anne.
 
Kompostierbare Verpackungen
Doch was ist mit kohlensäurehaltigen Getränken? 
Hierfür hat PappelCan aus Düsseldorf eine 100% kompostierbare Getränkedose entwickelt, deren Gebrauch sich vor allem auf Entwicklungsländer wie Südafrika oder Indien fokussiert. Denn dort werden Plastikflaschen einfach im Fluss entsorgt und führen somit zu einer massiven Umweltverschmutzung mit Folgen für die Gesundheit der dort lebenden Menschen. 
 
Auch bei Kaffeemaschinen, die Kaffeekapseln benötigen, fällt eine ganze Menge Plastikmüll an – mit schweren Folgen für die Umwelt. 
Die bessere Alternative: biologisch abbaubare Kaffeekapseln.
Der Online-Coffee-Shop Impearlia aus Münster verkauft Kaffee aus nachhaltigem Anbau in Guatemala und Südamerika in EU und ISO zertifizierten Bio-Kapseln. Die Kapseln sind dank des Bio-Kunststoff-Materials aluminiumfrei, biologisch abbaubar und umweltverträglich und wurden mit Energien aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biogas hergestellt. So werden Ressourcen bereits Produktionsprozess eingespart und wichtige Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz geleistet.
 
Das Team von SimplyMeal aus Köln hat die Vision, nachhaltiges und 100 % abbaubares Einweggeschirr (Teller, Schalen, Besteck) aus in der Region verfügbaren Nebenströmen zu produzieren. Leider musste das Start-up in Folge der Corona-Pandemie sein Projekt pausieren.
 
Recyceltes PET (rPET)
Statt herkömmlichem Plastik, kann alternativ auch sogenanntes rPET, recyceltes PET, als Verpackungsmaterial verwendet werden. 
rPET für Lebensmittel zu nutzen ist eine besondere Herausforderung, da die veränderte Verpackung keine negativen Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit haben darf und Dekontaminanten sowie Öle, Gase und Gerüche der PET-Recyclingabfälle effektiv entfernt werden müssen. 
Unternehmen, die rPET für ihre Verpackungen nutzen, werben meist mit dem Anteil von rPET, der verwendet wird. 30% rPET- Anteil bedeutet, dass 30% des für die Herstellung verwendeten PETs aus altem PET recycelt wurde. Bei Verwendung von 100% rPET wird kein neues PET hergestellt und so werden wertvolle Ressourcen wie Wasser, Energie, Erdöl oder Erdgas geschont.
 
Kraftling aus Köln bietet seine kaltgepressten Shots aus 100 % natürlichen Zutaten her – in Flaschen aus 100 % rPET . Da die Shots durch hohen Druck (HPP-Verfahren: High-Pressure Processing), statt mit Hitze oder Konservierungsstoffen haltbar gemacht werden, hat das Start-up nur eine limitierte Auswahl an Verpackungsalternativen. Glasflaschen würden dem Druck beispielsweise nicht standhalten. Das Start-up möchte einen positiven Einfluss auf die Ernährung der Menschen nehmen – auf nachhaltige und ökologisch verträgliche Art und Weise. Daher fiel die Entscheidung trotz höherer Kosten auf das neue Material.

Alternativen aus Glas
Foodhub-Mitglied Doli Bottles aus Düsseldorf sorgt für plastikfreie Alternativen zu herkömmlichen Plastik-Flaschen, Strohhalmen aus Plastik und To-go Kaffeebechern. Dafür bieten sie in ihrem Online-Shop nachhaltige Trinkflaschen, Halme und Kaffeebecher aus Glas an. Seit Neuestem sind auch Glaskaraffen und Vorratsgläser im Sortiment zu finden. 
 
Mehrweg- und Pfandsysteme
Im letzten Artikel zu Verpackungen haben wir bereits VYTAL vorgestellt: Das Start-up hat eine pfandfreie Mehrweg-Lösung für Teller und Bowls in Gastronomien entwickelt. Die Verpackungen können mit nach Hause mitgenommen werden, gibt man sie nicht innerhalb von 2 Wochen bei einem der insgesamt 600 Kooperationspartner von VYTAL zurück, wird ein Betrag von zehn Euro fällig. 
 
In NRW gibt es neben VYTAL noch weitere Mehrweg- bzw. Pfandsysteme.
 
So beispielsweise Pizzabow aus Herford. Das Start-up vermarktet Kartons aus Hartplastik, die herkömmliche Pizza-Kartons ersetzen, indem sie mehrfach verwendet werden. 
Nach der Lieferung nimmt der Kunde seine Pizza aus der auf einem Papp-Deckel aus der Plastikbox. Der Lieferant kann die Schachtel dann zurücknehmen, reinigen und mit neuen Pappeinsätzen und Pizzen ausstatten. 
 
Wir haben bereits über Kaffeekapseln gesprochen, die jede Menge Plastikmüll produzieren, doch Kapseln sind nicht die einzigen Müllverursacher, wenn es um Kaffee geht. Allein in Deutschland werden pro Stunde 320.000 Einwegbecher weggeworfen. Das sind drei Becher pro Sekunde und 2,8 Milliarden im Jahr. 
Das Start-up und Foodhub NRW-Mitglied CUPFORCUP aus Düsseldorf hat ein Mehrweg-Pfandsystem speziell für Coffee-to-go Becher entwickelt. 
Der CUPFORCUP Mehrwegbecher kann gegen 1 Euro Pfand bei den zahlreichen teilnehmenden Cafés, Bäckereien, Kiosken und Tankstellen erworben werden. Er ist bis zu 500-mal wiederverwendbar, Spülmaschinenfest und kippsicher, BPA-frei, ohne PAK und Melamine. Das Material Polypropylen, aus dem er besteht, ist zu 100% recycelbar. 
 
Unverpackt-Supermärkte
Unverpackt Supermärkte haben sich in den letzten Jahren in vielen Städten gegründet. Das Start-up Glasbote aus Düsseldorf will das Konzept jetzt mit dem Trend nach eGrocery verbinden. Glasbote ist ein Online-Unverpackt-Supermarkt mit Lieferservice per Lastenfahrrad. Die bestellten Lebensmittel werden in Gläsern geliefert und gleichzeitig wird das Pfand der vorherigen Bestellung wieder mitgenommen. 
 
Forschungsprojekte
An der Uni Bonn wurde 2020 unter der Leitung von Professor Dr. Pude das Papiertechnikum eröffnet. Dort werden innovative und nachhaltige Alternativen für die Papierherstellung aus schnell nachwachsenden Rohstoffen und anderen Biomassen erforscht.
 
Auch der BioBoosteRR des BiooekonomieREVIER am Forschungszentrum Jülich arbeitet an Möglichkeiten, Reststoffe aus der Region zu neuen Rohstoffen für alternative Verpackungsmaterialien zu verwerten. Angedacht sind nachhaltige Verpackungsmaterialien aus Tomatenblättern oder Bio-Plastik aus Möhrenresten. 
 
Dein Projekt fehlt in der Übersicht oder du möchtest mit einem der Start-ups und Initiativen hier in Kontakt treten? Melde dich gerne bei uns!

Bildnachweis: Unsplash@oceancleanupgroup

Geschrieben von

Lea Sustersic

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