Zentis kennt jeder Konsument als Hersteller von Konfitüren, Nusscreme und Marzipan. Weniger bekannt: das Aachener Unternehmen ist europäischer Marktführer für Fruchtzubereitungen für die Lebensmittelindustrie. Von Joghurts zu Eiscreme oder Backwaren: da ist Zentis drin. Das knapp 130 Jahre alte Traditionsunternehmen mit knapp 2,000 Mitarbeiter weltweit hat früh die Chancen von digitaler Transformation und open Innovation erkannt. Am eigenen Innovationshub „FruchtCampus“ am Stammsitz Aachen entwickeln Intrapreneure neue Geschäftsmodelle und werden neue Lösungen mit Start-ups erprobt. Mit Alice Kratky, Global Head Innovation Management, sprechen wir über das Innovationsverständnis von Zentis und welche Rolle Start-ups dabei spielen.
Lee: Alice, du bist als Global Head Innovation Management für die Innovationsaktivitäten von Zentis zuständig. Was bedeutet für euch Innovation?
Alice: Wir haben bei Zentis verschiedene Geschäftsbereiche. Das B2C Geschäft mit den Süßwaren und Brotaufstrichen ist dabei das Kleinste. Das Industriegeschäft hingegen macht 70 bis 80 % des Umsatzes aus. Inkrementelle Innovation wie neue Produkte machen wir par Excellence. Strategisches Innovationsmanagement geht aber deutlich weiter. Wir wollen neue Geschäftsfelder erschließen und auch Services entwickeln für unsere Kunden. Neue Lebensmittelsysteme und die Frage, wie wir nachhaltiger wirtschaften können, sind zum Beispiel wichtige Suchfelder. Wir verstehen uns als globaler Impulsgeber für natürliche und genussvolle Ernährung.
Lee: Welche Rolle spielen dabei offene Innovation, also die Zusammenarbeit mit Partnern und Start-ups?
Alice: Wenn man zukunftsorientiert denken und wettbewerbsfähig sein will, muss man auch in neuen Innovationshorizonten denken. Neue B2B Ingredients gehören da genauso dazu wie digitale Lösungen. Das kann man eigentlich nur mit Partnern machen, um die notwendige Geschwindigkeit aufzunehmen –und auch um das Risiko zu streuen. Wie sagt man so schön: ”Go alone, go fast. Go together, go far”.
Open Innovation ist für uns mehr als nur Start-up Kollaboration. Wir arbeiten eng mit Partnern, Lieferanten und mit Kunden zusammen, um neue Themen voranzutreiben.
Die Zusammenarbeit mit Start-ups hat aber noch einen weiteren positiven Effekt: es bringt, neue Denk- und Arbeitsweisen ins Unternehmen. Sie haben meist wahnsinnige Lernkurven hingelegt und bringen wirklich frischen Wind mit ins Unternehmen. Das ist extrem wertvoll.
Wertschöpfende Zusammenarbeit entlang der ganzen Lieferkette
Lee: Wie sieht die Zusammenarbeit mit Start-ups bei Zentis aus?
Alice: Wir arbeiten mit jungen, innovativen Unternehmen zusammen, wenn ein hoher strategischer Fit da ist. Dann bieten wir engen Austausch, unser Expertennetzwerk oder auch unsere Infrastruktur an. Neben der strategischen Partnerschaft in Form einer engen Kundenbeziehung ist auch ein Investment möglich.
Lee: Aus eigener Gründer-Erfahrung weiß ich: ein strategischer Partner mit dem man gemeinsam tatsächlich was erreicht ist oft zielführender als eine Geldspritze und der Investor guckt dann vom Spielfeldrand zu.
Alice: Genau. Wir haben eine Klaviatur an Möglichkeiten, die wir situativ und bedarfsorientiert jungen Unternehmen zur Verfügung stellen. Und die wir auch immer weiter ausbauen. Daher ist unser Team im Zentis Venture Studio auch interdisziplinär aufgebaut: Stefan macht Zentis Ventures und M&A, Christiane hat den Schwerpunkt IT & Digitalisierung und ich das Globale Innovationsmanagement.
Lee: Kannst du uns ein paar Beispiele geben?
Alice: Wir arbeiten zum Beispiel mit Leroma zusammen, um unsere Rohstoffe besser zu managen und Überschüsse zu vermeiden. Die haben wir übrigens auf eurer Ideenfutter Expo 2020 kennengelernt und dann in unser erstes Startup-Programm eingeladen.
MoonBar ist ein anderes Beispiel, da unterstützen wir in der Frühphase mit ganz viel Know-how, von der Entwicklung der Rezeptur zur Logistik. Haferkater und Dörrwerk sind klassischere CVC Investments von uns. Beide haben einen sehr hohen strategischen Fit, passen in unsere Vision und wir können auch hier unsere Kompetenzen einbringen.
Bei Dörrwerk und auch Haferkater geht es darum, Nebenströme wertschätzend zum Kunden zu bringen.
Zudem nennenswert ist Sunbloom. Originär ein Spinn-off vom Fraunhofer Institut bei dem wir später mit anderen Co-Investoren eingestiegen sind. Sunbloom ist jetzt in der Skalierung und das Werk zur Produktion dieses funktionalen Sonnenblumenproteins in Ungarn wurde gerade in Betrieb genommen.
Du siehst: unser Ziel sind wertschöpfende Erfolge entlang der ganzen Lieferkette.
Regionale Zusammenarbeit hat Vorteile
Lee: Und das Herz eurer Aktivitäten ist der FruchtCampus?
Alice: Ja, der FruchtCampus ist unser Innovationszentrum, hier treffen wir uns alle: Intrepreneure, Start-ups, Partner und Kunden. Hier ist der Kulturwandel erlebbar, hier kann man neue Sachen ausprobieren. Das ist das Wichtigste: einfach mal machen, raus aus den gelernten Strukturen und handfeste Ergebnisse produzieren. Dann habe ich einen Schneeballeffekt. So schaffen wir transformative Innovationen. Nur die Theorie der Innovation wälzen bringt niemanden weiter.
Lee: Du sprichst eure Intrapreneurship Programme an. Kennen wir ein Corporate Start-up von Zentis, das ihr schon gelauncht habt?
Alice: Als Beispiel für ein Zentis-Spin-off würde ich Zentis Fruit Solutions nennen, dass aus unseren Innovationsaktivitäten entstanden ist. Mit Zentis Fruit Solutions haben wir ein abwechslungsreiches Sortiment an Komponenten für vegane Frühstücks-Bowls entwickelt. Angeboten werden Porridges , Bircher Müsli, Löffel-Smoothies und Toppings für Mensen, Betriebsgastronomie, Catering etc. Die trendigen Artikel können miteinander oder anderen Zutaten wie Milchalternativen kombiniert werden.
Lee: Euren Innovationshub habt ihr in Aachen eröffnet, aber ihr seid ein international tätiges Unternehmen. Sucht ihr weltweit nach Partnern und Start-ups?
Alice: Wir sind offen für internationale Partnerschaften, aber wir haben gelernt, dass die regionale Zusammenarbeit ihre Vorteile hat. Wir sind kein riesiger globaler Konzern, wir können Projekte schnell gemeinsam umsetzen und praktisch exerzieren. Das bringt einen totalen Mehrwert und funktioniert besonders gut, wenn man kurze Wege hat.
Lee: Welche Search Fields stehen denn bei euch aktuell im Vordergrund?
Alice: Wir wollen Probleme lösen. Wie können wir zu mehr Klimaneutralität beitragen? Wie können wir Foodwaste reduzieren? Wie können wir mit einem neuen Lebensmittelsystem die Weltbevölkerung ernähren? Das klingt vielleicht erstmal etwas generalistisch, aber es zeigt: wir denken Diversifikation pur. Das ist schon immer der Geist von Zentis als Familienunternehmen gewesen: vom Kolonialwaren Händler, der dann irgendwann Konfitüre gekocht hat, sind wir zum Industrieunternehmen in den verschiedensten Facetten gewachsen. Mit unseren Innovationsaktivitäten schreiben wir die Entwicklung weiter.
Dabei haben wir sowohl interne, als auch externe Kunden. Da ist die Schnittmenge zur Digitalen Transformation und auch zum Intrapreneurship. Innovation Management eine Klaviatur, die man in Gänze spielen muss. Und das machen wir richtig gut.
Wir vernetzen Akteure der Agrar- und Lebensmittelbranche vom Feld zum Regal, um gemeinsam zukunftsgerichtete Lösungen für die Branchen zu entwickeln.
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