Seit dem 01.01. dieses Jahres sind Gastronomen verpflichtet, ihren Kund:innen Mehrwegverpackungen für Getränke und Lebensmittel zum Mitnehmen anzubieten, um die Mengen an Verpackungsmüll zu reduzieren. Die Mehrweglösungen dürfen dabei nicht teurer sein als die Einwegverpackungen. Restaurants oder Cafés dürfen lediglich Pfand für die Mehrweg-Alternative nehmen, das die Kund:innen bei der Rückgabe zurückbekommen. Doch bietet die neue Verordnung wirklich Vorteile oder überwiegen die Nachteile? Darüber wird in diesem Beitrag diskutiert.
Umweltschutz an erster Stelle
Der erste und größte Vorteil ist offensichtlich: Die für die Umwelt schädlichen Eiwegverpackungen, insbesondere Plastik, werden reduziert. Dem stimmt auch Dr. Tim Breker von Vytal zu: "Die Mehrwegangebotspflicht ist ein längst überfälliger Schritt, Mehrweg zum Standard für To-Go Konsum und Lieferessen zu machen."
Besserer Kundenkontakt durch Pfandsysteme?
Ein weiterer Vorteil entsteht für Gastronomen, wenn sie sich für ein Pfandsystem entscheiden. Dadurch besuchen die Verbraucher:innen das jeweilige Restaurant oder Café sehr wahrscheinlich zumindest ein weiteres Mal, um ihren Pfand zu erhalten. Gastronomen können so den Kundenkontakt verbessern und im besten Falle weitere Produkte verkaufen. Aber auch hier kann ein Nachteil seitens der Gastronomen entstehen. Entscheiden sie sich für ein Pfandsystem durch externe Dienstleister könnten dadurch zusätzliche Kosten auf sie zukommen, die besonders für kleinere Betriebe in der aktuellen Situation nur schwer tragbar sein könnten. Da das Pfandsystem nicht verpflichtend ist, sollte man diesen Nachteil nicht zu stark bewerten, denn durch die Mehrwegpflicht können Restaurant- oder Cafébetreiber auch Kosten sparen. Eine Einwegverpackung wird nach einmaliger Verwendung entsorgt. Eine Mehrwegverpackung wird hingegen nach der Reinigung wiederverwendet und kann so längerfristig die Kosten für den Verpackungseinkauf senken. Um beim Thema Reinigung zu bleiben: "Die derzeit beschrittenen Wege werfen zudem Fragen in puncto Hygiene auf: werden diese Plastikbecher und -Schalen überhaupt richtig sauber?", fragt sich Sven. Auch die Einführung und die Umsetzung des neuen Gesetzes sind noch nicht stark genug kommuniziert worden. "Es wäre besser gewesen, die Umsetzung mit bestimmten Regeln und Pflichten zu versehen"; meint auch Pierre Glienke, Co-Gründer des Start-ups CUNA Products.
Nicht nur in der Gastro, sondern auch bei den Verbraucher:innen ansetzen
Zwar verspricht das neue Gesetz viel Gutes, ob es aber wirklich so viel bewirkt, wie es sollte, scheint zweifelhaft. Denn es bleibt fraglich, wie viele der in Umlauf gebrachten Mehrwegverpackungen überhaupt im Kreislauf bleiben. Wie gut die Nachhaltigkeits-Bilanz solcher Mehrwegsysteme also wirklich ist, bleibt offen. Auch deswegen blickt Sven Hennebach kritisch auf das neue Gesetz: "Das Thema Mehrwegangebotspflicht ist in meinen Augen eine Regelung, die in der Praxis rein gar nichts ändert. Mehrwegangebote gab es auch vor der Angebotspflicht genug. Das Problem ist: diese werden einfach nicht genutzt", erzählt der Co-Founder des mittlerweile geschlossenen Start-ups CupForCup. Das heißt, die neue Pflicht muss nicht zwingend mit einer Umsetzung seitens der Verbraucher:innen einhergehen. Ein Grund dafür könnte die Art der Entsorgung sein. Einwegverpackungen können einfach zu Hause oder unterwegs in den Müll geworfen werden. Mehrwegverpackungen müssen hingegen in den Laden oder zu bestimmten Rücknahme-Systemen gebracht werden. Kritiker gehen deswegen einen Schritt weiter und fordern eine ausnahmslose Mehrwegplicht und teurere Preise für Einwegverpackungen.
Fazit: "Der erste Schritt mit der Angebotspflicht ist getan, aber für eine echte Transformation weg von einer Wegwerfgesellschaft hin zur nachhaltigen Mehrweggesellschaft, haben wir noch einen langen Weg vor uns", schlussfolgert Pierre. Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie man seinen Konsum umweltfreundlich gestalten kann. Durch ein neues Gesetz, das sich nur an die Anbieter:innen und nicht an die Abnehmer:innen richtet, wird sich das Bewusstsein der Verbraucher:innen wohl nicht ändern. Die Mehrwegpflicht scheint also ein erster Schritt in die richtige Richtung zu sein, um wirklich nachhaltig und längerfristig etwas zu verändern, braucht es allerdings mehr als nur eine neue Regelung. Denn der Verpackungsmüll kann so zwar reduziert werden, vermieden wird er dadurch aber nicht. Tim von Vytal schlägt vor: "Jetzt bitte noch die externalisierten Kosten von Einweg einpreisen lassen, die Gastronomen und Enverbraucherinnen bei der Veränderung unterstützen und die Serialisierung von Behältern vorschreibe. Dann wäre im Sinne der Umwelt noch deutlich mehr gewonnen."
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