Ist es möglich, zukünftig zehn Milliarden Menschen zu ernähren, wenn unsere Anbauflächen doch begrenzt sind und der Klimawandel uns zwingt, Ressourcen einzusparen? Mit Urban Farming ist ein effizientes und ressourcensparendes Konzept für die Zukunft der Lebensmittelproduktion entstanden. Es spart Wasser, Inputs wie Dünger, Transportkosten und Treibhausgase ein. Die Begriffe urban oder vertical farming sind in der aktuellen Klimadebatte nicht mehr wegzudenken. Wie aber schaffen wir es, das Konzept auch wirtschaftlich umzusetzen, um dauerhaft mehr Nachhaltigkeit und die regionale Produktion von Lebensmitteln in die Städte zu bringen?
Einige Start-ups machen bereits vor, wie unkonventionelles Landwirtschaften aussehen kann – auch in unserer Community. Ebenso laufen verschiedene Forschungsprojekte in verschiedenen Dimensionen, um die Frage zu erörtern. Hierzu haben wir im vergangenen Jahr bereits diesen Artikel geschrieben. Was sich seitdem bei unseren Start-ups geändert hat, kannst du in diesem Update lesen – und du hast die Chance mit uns am 20.04 im Rahmen des Ideenfutter Stammtisch den Altmarktgarten in Oberhausen zu besuchen und dort vor Ort über die Chancen des urbanen Farming zu diskutieren. Volkmar Keuter, Abteilungsleiter Umwelt und Ressourcennutzung bei Fraunhofer Umsicht, wird die Learnings seines Teams mit uns teilen.
Altmarktgarten/ Fraunhofer Umsicht
In NRW ganz vorne dabei ist das Projekt "Altmarktgarten" von Fraunhofer Umsicht in Oberhausen. 2019 eröffnet, ist der Altmarktgarten ein Reallabor, in dem auf 1.100 Quadratmetern Kräuter, Salate und Erdbeeren wachsen. Hier testet Fraunhofer Umsicht ihre inFARMING® Technologie, die Gebäudetechnologien, Haustechnik und Lebensmittelproduktion vernetzt. Die Investitionssumme für das Gebäude inklusive Dachgewächshaus betrug über 30 Millionen Euro.
Dafür wird die Abwärme wird aus dem Jobcenter direkt in den FuE-Bereich geführt des Gewächshauses. Das Grauwasser – Wasser aus Duschen und Handwaschbecken – wird im Keller aufbereitet. Zum einen, damit es innerhalb des Gebäudes genutzt werden kann, zum anderen, um im FuE-Bereich die Verwendung für die Bewässerung zu testen.
Das Dachgewächshaus ist wiederum in verschiedene Zonen unterteilt, die nach Bedarf an Temperatur und Feuchtigkeit der Pflanzen unterschiedlich gesteuert werden können. Auch kommen verschiedene Kultivierungssysteme zum Einsatz: Ebbe-Flut-Tische, die Pflanzen zeitgesteuert durch Flutung mit Wasser und Nährstoffen versorgen, sowie UV-stabilen Growbags und Kulturplatten (Floats/Pontons) in Schwimmteichen. Auch die Belichtung steht im Fokus der Forschenden, denn mit bestimmten Lichtszenarien lassen sich das Pflanzenwachstum und die Pflanzenqualität positiv beeinflussen.
Das Aachener Start-up Aixponic ist auf Aquaponik spezialisiert. Zur Erinnerung: Aquaponik setzt sich zusammen aus der Kombination Zucht von Fischen im Wasser (Aquakultur) und Aufzucht von Pflanzen im Wasser (Hydroponik). In seiner Versuchsanlage produziert das Unternehmen Fisch und Gemüse. Damit wollen sie eine nachhaltige alternative zum herkömmlichen Fisch bieten. Ein wichtiges Learning aus dem letzten Jahr war für das Team das Wording rund um das Projekt, besonders was das Thema Tierwohl betrifft. Im Austausch mit Konsument:innen wurde deutlich, wie sensibel das Thema auch für Aquaponik ist. Dennoch hat das Unternehmen viel Zuspruch und Unterstützung erhalten. Die Herausforderung ist es jetzt, alle Ziele und Konzepte in der eigenen Marketing-Strategie unterzubringen.
Farmbox "Farm in the box":
Im vergangenen Jahr ist in Wuppertal die im Rahmen der Arrenberg Farm die "Farmbox" entstanden, eine kleine Anlage, die aus Schiffscontainern besteht und mit einem Gewächshaus ausgestattet ist. Im Rahmen eines Forschungsprojekts zur zirkulären Wirtschaft wurden dort u.a. auf Basis der Aquaponik verschiedene Lebensmittel produziert. Zu den Learnings der Farm in the Box gehört unter anderem, dass Aquakultur und Hydroponik aktuell nicht bio-zertifizierbar sind. Zudem ist das Projekt an hohe Standards gekoppelt, aus denen sich wiederum hohe Verkaufspreise ergeben. Nicht zu vergessen den hohen Energiebedarf, der für den Betrieb benötig wird. Dass das Tierwohl in der Aquakultur in der Stadt eine wichtige Rolle spielt, bei der Zucht von Insekten aber nicht, konnte ebenfalls im Rahmen des Projekts festgestellt werden.
Organifarms aus Konstanz optimiert Vertical Farming Systeme mit Hilfe von Farmrobotern. Es ist dem Unternehmen seit vergangenem Jahr gelungen, seinen neuen Ernteroboter für Erdbeeren BERRY der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zusätzlich hat Organifarms eine Reifeschätzung eingeführt, die den genauen Reifegrad jeder Frucht erkennt. Und noch eine Neuheit, die heißt: Weg vom Labor und rein ins Grüne. Das Unternehmen aus Konstanz testet jetzt nicht mehr im Labor, sondern ist zu Versuchen mit Landwirten übergegangen.
Das Start-up Hortiya hat seinen früheren Unternehmenssitz von Berlin nach Duisburg verlegt. Ihr Ceres Sensorensystem ist jetzt marktreif und befindet sich aktuell im Einsatz im Anbau von Tomaten, Erbsen und Cannabis. Aktuell arbeitet Hortiya an der besten intelligenten Lichtsteuerung, um diese bis Mitte des Jahres als Service anzubieten. Erste Feldversuche finden hier bereits im kommerziellen Tomatenanbau statt.
Neu bei uns: Das Start-up aus Meerbusch in Neuss nutzt das Potenzial der Micro Greens, um seinen Beitrag zur unkonventionellen Landwirtschaft zu leisten. Sie Pflanzen Microgreens in Düsseldorf, die dann im alten Kesselhause auf dem Areal Böhler wachsen. Ihre Microgreens sind bereits deutschlandweit erhältlich. BosFood liefert sie. Das Start-up setzt auf umweltfreundliche Verpackungen, die für den Hauskompost zugelassen sind.
Einige der Start-ups haben leider ihren Betrieb eingestellt:
Nexus Farms produzierte im Wandelwerk in Köln bis zum letzten Jahr Microgreens, ein erster Test des Start-ups, das urbane Farming-Konzepte in Köln realisieren wollte. Dabei profitierten sie von günstigen Konditionen im Wandelwerk im Rahmen einer Zwischennutzung. Mit dem Ende des Wandelwerks musste eine neue Immobilie her. Diese hätte sich für die beiden Gründer nur gelohnt, wenn sie ihre Produktion um ein Vielfaches hochgefahren hätten. So gelangten sie zu dem Entschluss, ihr Start-up aufzulösen. Neben Nexus Farms haben sich auch Blattgrün aus Aachen und Stadtfarm aus Bonn entschieden, ihren Betrieb einzustellen.
Die Beispiele von Nexus Farms, Blattgrün und Stadtfarm zeigen: Urbane Farmprojekte sind sehr spannend, aber erfordern ein hohes Invest. Dennoch bieten sie mehr ökologische Vor- als Nachteile. Deswegen ist es wichtig, neue Lösungen zu entwickeln, die langfristig ökonomisch tragbar sind. Was ist deine Meinung zu den Chancen und Risiken der unkonventionellen Landwirtschaft? Diskutiere mit uns am 20.4. in Oberhausen. Hier kannst du dein Ticket bestellen. Und schreibe deine Meinung auch gerne hier in die Kommentare!
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